München, Benediktinerabtei St. Bonifaz


 

GESCHICHTE

 

München, Benediktinerabtei St. Bonifaz – Geistliches Zentrum der Maxvorstadt

 

 

 

Bereits 20 Jahre nach der Säkularisation erfolgte 1825 mit dem Regierungsantritt König Ludwigs I. die planmäßige Wiedererrichtung kirchlicher Institutionen. Dabei kam den Benediktinern große Bedeutung zu, denn für Ludwig I. verkörperte dieser Orden die ideale Vereinigung von Religion, Wissenschaft und Kunst. Neben der Neugründung von St. Bonifaz in München wurden auch andere bayerische Benediktinerklöster wie Metten (1830), Scheyern (1837) und Weltenburg (1842; Näheres dazu unter den einzelnen Klöstern) wiederbelebt.

 

Das Kloster St. Bonifaz war Teil der städteplanerischen Erneuerung der Maxvorstadt rund um den neuen Königsplatz, dessen Bauten ebenfalls den Dreiklang von Religion (St. Bonifaz), Wissenschaft (Benediktinerabtei) und Kunst (Glyptothek) verkörpern sollten. Für alle drei Projekte wurde 1835 feierlich ein einziger Grundstein gelegt. Nach dem Entwurf von Georg Friedrich Ziebland, der dafür nach Italien zum Studium frühchristlicher Basiliken geschickt worden war, entstand bis 1840 der Rohbau der dreischiffigen Basilika mit Säulenvorhalle und erhöhter, halbrunder Apsis. Unter der Leitung von Akademieprofessor Heinrich von Hess erfolgte die Ausstattung der Kirche. Das Bildprogramm stammte von dem Historiker Ignaz Döllinger und umfasste Szenen aus der Frühzeit Bayerns und dem Leben des hl. Bonifatius, dem „Apostel der Deutschen“. Der Klosterbau wurde im Norden der Kirche als schlicht gehaltenes Geviert um zwei Höfe errichtet. Im Inneren erhielt das Refektorium mit einem Abendmahlsfresko von Hess (in Anlehnung an Leonardo da Vincis Mailänder Werk) ein herausragendes Kunstwerk (im Zweiten Weltkrieg zerstört). 1847 waren Kirche und Kloster vollendet. Bedingt durch die politischen Unruhen und den Rücktritt des Königs 1848, fand die Weihe erst am 24. November 1850 statt.

 

Der König stiftete der Abtei zum Unterhalt das Gut Andechs, das er 1846 für 65000 Gulden erworben hatte. Es gehört bis heute zum Eigentum von St. Bonifaz. Die Benediktiner sind zuständig für die Pfarrei und die Seelsorge der Wallfahrer, die auf den „Heiligen Berg“ über dem Ostufer des Ammersees zur ältesten Wallfahrt Bayerns pilgern. Mit den Einnahmen aus dem Wirtschaftsgut werden die pastoralen, sozialen und kulturellen Aktivitäten der Abtei in München und Andechs finanziert.

 

St. Bonifaz entwickelte sich schnell zum geistigen Zentrum des Stadtteils und einem Hort der Wissenschaft. 1863 war es Schauplatz des ersten katholischen Gelehrtenkongresses in Deutschland. Die wertvolle Klosterbibliothek diente vielen Wissenschaftlern für ihre Forschungen. Sie wurde von bedeutenden Bibliothekaren betreut wie Odilo Rottmanner (gest. 1907) und Romuald Bauerreiß (gest. 1971). Letzterer berichtete, dass auch die Widerstandskämpfer der „Weißen Rose“, Hans Scholl und Alexander Schmorell (beide 1943 hingerichtet), die Bibliothek nutzten und sich hier anhand der Schriften von Thomas von Aquin und anderer christlicher Autoren mit den religiösen Fragen des Widerstands auseinandersetzten.

 

1944/45 zerstörten Bomben das Kloster, rund 100000 Bände der Bibliothek verbrannten. Auch der Bau und Innenausstattung der Kirche wurden schwer beschädigt. Eine erste provisorische Sicherung der Basilika in reduzierter Form führte 1949 der Architekt Hans Döllgast durch. Nördlich davon entstand ab Ende der 1960er-Jahre nach Planungen von Carl Th. Horn und Peter Eggendorfer ein Seelsorge- und Bildungszentrum mit Kapelle, großem Festsaal und einer Unterkirche mit der Mönchsgruft. Der Baukomplex verbindet den erhaltenen Südteil der Basilika mit der einstigen Apsis. Die Weihe erfolgte am 9. Juli 1971 durch Julius Kardinal Döpfner. Dieselben Architekten übernahmen auch die Sanierung der ehemaligen Kirche. Sie schufen hier einen modernen lichtdurchfluteten Zentralbau, in dem der neue, von Blasius Gerg geschaffene, Altar den Mittelpunkt bildet. Der Raum wurde am 24. November 1975, 125 nach der Weihe der ersten Basilika, konsekriert. Seine künstlerische Ausgestaltung erfolgte zwischen 1993 und 1996 mit Werken des Bildhauers Friedrich Koller und des Malers Peter Burkart. Im rechten Seitenschiff befindet sich der von Kriegsspuren gezeichnete Marmorsarkophag König Ludwigs I., in der Gruft darunter das Grab seiner Frau, Königin Therese.

 

Auch die Klosterbibliothek kann seit Mitte der 1980er-Jahre wieder ihren von König Ludwig I. zugewiesenen Stiftungsauftrag als öffentlich zugängliche Studienbibliothek in sanierten und vergrößerten Räumen erfüllen. Mit einem Bestand von rund 250000 Werken und etwa 300 in- und ausländischen Fachzeitschriften zählt sie zu den größten wissenschaftlichen Privatbibliotheken in Bayern.

 

Gehörten um 1900 rund 60000 Katholiken zur Pfarrei, waren es 1965 noch 12500 und 1999 nur mehr knapp 3500 Mitglieder der katholischen Kirche, die im Pfarrgebiet wohnten. St. Bonifaz hat dieser Entwicklung Rechnung getragen. Seit einigen Jahren ist der Konvent, zu dem gegenwärtig 18 Mönche gehören, verstärkt sozial aktiv und betreut in Rahmen der Obdachlosenhilfe Menschen ohne festen Wohnsitz und in sozialen Notlagen. Das liturgische und spirituelle Zentrum der Maxvorstadt zieht als moderne Stätte der Bildung, der Besinnung und zwischenmenschlichen Begegnung aber auch viele Interessenten von auswärts an. Mit einem Veranstaltungsprogramm, das religiöse und musikalische Feierstunden, aktuelle Bildungs- und Diskussionsangebote sowie regionale und internationale Arbeitskreise zu einer Vielfalt von Themen umfasst, pflegt es den Kontakt zu allen Bevölkerungsschichten und bietet einen zeitgemäßen Zugang zur katholischen Lehre.

 

(Christine Riedl-Valder)

 

 

 

Link:

 

http://www.sankt-bonifaz.de

 

http://www.andechs.de

 



 

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