Betty Uhlmann
geb. 1902 in London, Vater Fabrikbesitzer in London, 1918/19 Prokurist in München
Bettys Vater war der Pelzwarenfabrikant Alfred Otto Uhlmann, ein gebürtiger Münchner (geb. 1871). Dieser hatte aus erster Ehe zwei Kinder: Adolf Otto (geb. 1900) und
Betty Ottilie. Ihre Mutter war eine gebürtige Braumann.
1903 heiratete Alfred zum zweiten Mal, seine Braut war nun die Augsburgerin Irma Veith (geb. 1880). Auch aus dieser Ehe gingen zwei Kinder hervor. Die Familie lebte bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs in London. Im Oktober 1914 jedoch kamen Betty und Adolf nach München zu ihren Großeltern mütterlicherseits. Von Juli 1915 bis Februar 1918 wurde ihr Vater Alfred auf der Insel Man interniert.
Während dieser Zeit, 1914–1919, besuchte Betty die Maria-Theresia-Schule in Augsburg von Klasse 2 bis zur Klasse 6 der »Realabteilung«.
Ab 1918 wohnten Alfred und Irma mit ihren vier Kindern in Augsburg; im Schul-Jahresbericht von 1918/19 ist allerdings schon München als Wohnort angegeben. Der Beruf des Vaters war jetzt Prokurist.
Mindestens drei Mitglieder der Familie sind dann nach München gezogen und 1941 in die USA emigriert. Am 20. August 1941 verließ die »SS Mouzinho« den Hafen von Lissabon mit Kurs auf New York. An Bord waren viele Deutsche, die als Immigranten in den USA zugelassen worden waren. Auf der Passagiersliste stehen Alfred Uhlmann (als sein Beruf wird nunmehr »Handelsvertreter im Ruhestand« angegeben), seine Ehefrau Irma und seine Tochter Ottilie Erna, 36 Jahre alt, von Beruf Gymnastiklehrerin. Als letzter ständiger Wohnsitz ist bei allen dreien München verzeichnet.
Betty heiratete 1932 den Pelzhändler Alex Stiel (geb. 1891 in Eschweiler), der in erster Ehe mit Selma Strauss (1892–1931) verheiratet gewesen war und aus dieser Ehe zwei Kinder hatte, Walter (geb. 1922) und Isabella (geb. 1927). Walter
 




konnte 1938 nach England auswandern und ging später in die USA. Betty, Alex und Isabella emigrierten 1939 in das britische Protektorat Nordrhodesien (heute Zambia).
In Ndola war Alex zunächst Teilhaber der Firma »Northern Rhodesia Native Produce Ltd.«, dann Angestellter in einer anderen Firma, Betty arbeitete als Buchhalterin, Isabella als Sekretärin. 1947 zogen Betty und Alex nach Los Angeles. Dort ist Alex 1957 gestorben.
In zweiter Ehe heiratete Betty den Witwer Louis Gruenbaum (Ludwig Grünbaum, geb. 1901 in Nürnberg), der in erster Ehe mit Ernestine Lustig (1902–1961)verheiratet gewesen war. Louis führte in San Diego ein Geschäft für Elektrozubehör. 1996 ist er gestorben.
Betty Gruenbaum, geb. Uhlmann, starb ebenfalls 1996, eine Woche nach ihrem Ehemann, in San Diego.

Siehe die Passagiersliste der »SS Mouzinho« auf der Website der »Immigrant Ships Transcribers Guild«: http://www.immigrantships.net/v6/1900v6/mouzinho19410902_18.html (Stand: Mai 2008).

Literatur:
Alex Stiel, Briefe aus Ndola, 1943 und 1944; Auszüge bei Ernst Jacob, Rundschreiben Nr. 6, September 1943, und Nr. 8, September 1944, in: Gernot Römer (Hrsg.), »An meine Gemeinde in der Zerstreuung«. Die Rundbriefe des Augsburger Rabbiners Ernst Jacob 1941–1949, Augsburg 2007, S. 74–80, hier S. 78; S. 88–93, hier S. 91.

 
 
 
Hannah Untermayer
geb. 1926 in Augsburg, Vater Kaufmann (»Leinen- und Wäschehaus M. Untermayer«), Wohnung Holbeinstraße 12, Geschäft Maximilianstraße D 4

Hannahs Vater Eugen Untermayer (geb. 1886 in Augsburg) war der letzte Chef des in Augsburg führenden Wäschegeschäfts in der »Untermayer-Passage« (heute »Max-Passage«). Hannahs Mutter hieß Flora, geb. Epstein (geb. 1892 in Augsburg).
So wie Hannah hatte bereits ihre ältere Schwester Marianne die Maria-Theresia-Schule besucht. Außerdem hatte Hannah einen Bruder, Richard (1919–1977).
Hannah kam 1936 auf die Maria-Theresia-Schule, in dieselbe Klasse wie Hertha Frank.
Die 12-jährige Hannah war durch Ministerialerlass gezwungen, am 14. November 1938 während des Schuljahres ohne Abschluss die Klasse 3a der Maria-Theresia-Schule zu verlassen.
In einem Brief vom 19. Juli 2005 schrieb Hannah: »I really severed all my relations of that time period for very obvious reasons.«
Sie emigrierte nach England, besuchte dort eine Internatsschule und ging 1940 in die USA. 1940–1944 besuchte sie die »George Washington High School« in New York.
Hannah heiratete 1949 in New York den Fotografen und Skilehrer Clifford Gibbs (geb. 1924 in New York). Das Ehepaar bekam drei Kinder.
Hannah Gibbs, geb. Untermayer, lebt bis heute (Juni 2007) mit ihrem Ehemann in den USA.
Hannahs Vater Eugen wurde 1938 nach dem November-Pogrom zusammen mit seinem Sohn Richard für kurze Zeit im KZ Dachau eingesperrt. Um emigrieren zu können, musste er sein Geschäft verkaufen. Er und seine Frau Flora wanderten noch 1938 über Luxemburg in die USA aus. Dort arbeitete er zunächst als
 



Kunstbuchverkäufer, Flora als Putzfrau. Später besaß Eugen in Pueblo die »Ferro Processing«, eine Tochtergesellschaft der »Colorado Fuel and Iron Corporation«. Beide Eheleute starben in Pueblo, Eugen 1957, Flora 1986.
Hannahs Bruder Richard ging 1939 ebenfalls in die USA, ebenso ihre Schwester Marianne, die jedoch nach dem Krieg wieder nach Deutschland zog.
Hannahs Großmutter Hedwig Epstein, geb. Gunz (geb. 1871 in Augsburg), war in der Wohnung, die über dem Geschäft lag, zurückgeblieben. Diese Wohnung wurde um 1942 von den Nationalsozialisten als »Judenhaus« zur Einquartierung vieler Juden benutzt. Von hier aus wurde Hedwig im August 1942 nach Theresienstadt deportiert und starb dort am 28. März 1944.

(Hannah Gibbs hat diese Kurzbiografie selbst vervollständigt.)
   
 
   
   
  Marianne Untermayer
geb. 1916 in Augsburg, Vater Kaufmann (»Leinen- und Wäschehaus M. Untermayer«), Wohnung Holbeinstraße 12, Geschäft Maximilianstraße D 4

Mariannes Vater Eugen Untermayer (geb. 1886 in Augsburg) war der letzte Chef des in Augsburg führenden
Wäschegeschäfts in der »Untermayer-Passage«  (heute »Max-Passage«). Mariannes Mutter hieß Flora, geb. Epstein (geb. 1892 in Augsburg). So wie Marianne besuchte auch ihre jüngere Schwester Hannah die Maria-Theresia-Schule. Außerdem hatte Marianne einen Bruder, Richard (1919–1977).
Marianne besuchte die Maria-Theresia-Schule von 1926 bis 1935 in den Klassen 1–G9.
Am 2. Juni 1930 feierte Marianne gemeinsam mit acht anderen jüdischen Mädchen ihre »Konfirmation« in Augsburg (Batmizwah: Fest der religiösen Mündigkeit für jüdische Mädchen, kann individuell am Sabbat nach dem 12. Geburtstag des Mädchens begangen werden, wurde in Augsburg aber, ähnlich wie die protestantische Konfirmation, jährlich oder in noch größeren Abständen für mehrere Jahrgänge gemeinsam abgehalten). 
Bei der Reifeprüfung 1935 gab Marianne als Berufswunsch »Direktrice in Wäsche- und Aussteuergeschäft« an. Sie ging in die Nählehre im Geschäft ihres Vaters. Im Mai 1938 emigrierte sie nach New York. Während des Krieges traf sie dort den Augsburger Ernst Cramer wieder (geb. 1913), einen Bruder von Helene Cramer, der im KZ Buchenwald inhaftiert gewesen und 1939 in die USA geflohen war. Die Familien Cramer und Untermayer waren in Augsburg eng befreundet gewesen. Ernst kämpfte als US-Soldat gegen das nationalsozialistische Deutschland.
Mariannes Vater Eugen wurde 1938 nach dem November-Pogrom zusammen mit seinem Sohn Richard für kurze Zeit im KZ Dachau eingesperrt. Um emigrieren zu können, musste er sein Geschäft verkaufen. Er und seine Frau Flora wanderten
 



noch 1938 über Luxemburg in die USA aus. Dort arbeitete er zunächst als Kunstbuchverkäufer, Flora als Putzfrau. Später besaß er in Pueblo die »Ferro Processing«, eine Tochtergesellschaft der »Colorado Fuel and Iron Corporation«. Beide Eheleute starben in Pueblo, Eugen 1957, Flora 1986.
Das zweite Stockwerk des Hauses der Familie Untermayer wurde von den Nationalsozialisten um 1942 als »Judenhaus« eingerichtet. In die ehemalige Wohnung der Schwiegereltern von Ernst Cramer wurden seine Eltern (Martin und
Klara Cramer, geb. Berberich) sowie sein Bruder Erwin eingewiesen und von dort Anfang April 1942 nach Piaski in Polen deportiert.
Mariannes Geschwister Richard und Hannah emigrierten 1939/40 in die USA. Mariannes Großmutter Hedwig Epstein, geb. Gunz (geb. 1871 in Augsburg), war in der Wohnung, die über dem Geschäft lag und die dann als »Judenhaus« diente, zurückgeblieben. Von hier aus wurde Hedwig im August 1942 nach Theresienstadt deportiert und starb dort am 28. März 1944.
Ernst Cramer kam 1945 als Soldat der US-Armee nach Deutschland zurück. Auch Marianne besuchte nach dem Krieg Augsburg. Die beiden entschieden sich, wieder in Deutschland zu leben. Sie heirateten 1948 in München. 1949 bekamen sie zwei Kinder.
Ernst Cramer hatte wichtige Posten im Axel-Springer-Verlag inne.
Marianne Cramer, geb. Untermayer starb 2008 in Hamburg, ihr Ehemann Ernst 2010. Beide sind auf dem Augsburger Jüdischen Friedhof an der Haunstetter Straße begraben.

Siehe die Fotos vom Grabstein des Ehepaars Cramer auf der Website »Alemannia Judaica«, Abschnitt »Augsburg. Jüdische Friedhöfe«: www.alemannia-judaica.de/augsburg_friedhof.htm (Stand: Februar 2017).
 



Literatur:
Carolin Götz, Angelika Markow, »Gespräch mit Frau Marianne Cramer, geb. Untermayer, am 09.05.05 am MT«, in: Peter Wolf (Hrsg.), Spuren. Die jüdischen Schülerinnen und die Zeit des Nationalsozialismus an der Maria-Theresia-Schule Augsburg. Ein Bericht der Projektgruppe »Spurensuche« des Maria-Theresia-Gymnasiums, Augsburg 2005, S. 54–56; auch auf dieser Website (s.u.).
Marianne und Ernst Cramer, Brief aus München 1948/49; Auszug bei Ernst Jacob, Rundschreiben Nr. 17, April 1949, in: Gernot Römer (Hrsg.), »An meine Gemeinde in der Zerstreuung«. Die Rundbriefe des Augsburger Rabbiners Ernst Jacob 1941–1949, Augsburg 2007, S. 157–163, hier S. 162.
Ernst Cramer, Brief aus Deutschland, 11. Mai 1945; Auszug bei Ernst Jacob, Rundschreiben Nr. 10, August 1945, ebd., S. 101–115, hier S. 106; kürzerer Auszug auch auf dieser Website (s.u.).

Zeitzeugen–Gespräche:
Gespräch mit Frau Marianne Cramer, geb. Untermayer, am 9. Mai  2005 am MT, aufgezeichnet von Carolin Götz und Angelika Markow.
 

Zeitzeugen - Briefe und Erinnerungen: Ernst Cramer, Brief aus Deutschland, 11. Mai 1945 (Auszug).
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