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Von der Zeit des Nationalsozialismus wissen
wir viel, von den unfassbaren Gräueln haben wir entsetzt gehört.
Aber was passierte in der nächsten Umgebung? Dieser Frage ist eine
Gruppe von Schülerinnen und Schülern des Maria-Theresia-Gymnasiums
in Augsburg nachgegangen. Sie haben sich 2003 auf die
»Spurensuche«
nach den jüdischen Mädchen gemacht, die einst
ihre seit 1892 bestehende Schule besuchten. Das Ergebnis ihrer Recherchen
ist erstaunlich: Nicht weniger als 201 jüdische Schülerinnen(und
vier so genannte
»Mischlinge ersten Grades«)
werden mit Kurzbiografien, Bild- und Archivmaterial
vorgestellt – eine eindrucksvolle Dokumentation jüdischen Lebens
in Augsburg.
Der institutionelle Rahmen des von Peter Wolf initiierten und betreuten
Projekts war der Wahlunterricht
»Politik und Zeitgeschichte«
im Schuljahr 2004/05. Es ging dem Arbeitskreis dabei nicht um eine
weitere historische Studie, sondern es ging schlicht und einfach
darum,
»dass endlich etwas
getan wurde, dass wir spüren, wie nah Geschichte ist, unmittelbar
in unserer Nähe, und wie nah sie einem gehen kann«,
wie Peter Wolf im Vorwort zum
Katalog schreibt. Dass von den jüdischen Schülerinnen, die an
der Maria-Theresia-Schule besonders viele gewesen waren, im Jahr
1938 nur mehr eine verschwindend kleine Zahl zur Schule ging und
auch diese wenige Monate nach Schulbeginn entlassen wurden, warf
Fragen auf. Wo sind die Mädchen hin? Wie gingen sie mit ihrer Ausgrenzung
um? Was ist aus ihnen geworden? Als exemplarisches Schicksal wurde
das Leben von Marianne Weil in den Mittelpunkt gestellt, die in
Auschwitz ums Leben kam.
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Dass diese
»Spurensuche«
für das Projektteam verbunden war mit
»wunderbaren Begegnungen
mit Zeitzeuginnen, spannenden Forschungen, überraschenden Details,
großer Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit, viel Arbeit neben der
normalen Schulzeit, aber Erlebnissen, die wir nie vergessen werden«,
ist ein versöhnlicher Aspekt. Und dass das Projekt mit einem Preis
beim Victor-Klemperer-Wettbewerb 2005 und mit dem Bebo-Wager-Preis
2005 ausgezeichnet wurde, ist ein weiterer Anlass zur Freude.
Die Ergebnisse dieses interessanten Schülerprojekts zu bewahren
und einer großen Öffentlichkeit zugänglich zu machen, aber auch
etwas von der besonderen Arbeitsatmosphäre zu dokumentieren, ist
das Ziel dieser Internetseite, die das Haus der Bayerischen Geschichte
initiiert hat. Das Text- und Bildmaterial wurde von der Projektgruppe
dafür neu aufbereitet und erweitert um die Erfahrungen, die sie
nach der Veröffentlichung ihres Projekts machte: neue Zeitzeugenaufnahmen
wurden gemacht, neue Informationen fanden sich, neue Kontakte entstanden.
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Unser Dank gilt den engagierten jungen Leuten,
die einmal mehr außerhalb der Schulzeit großen Einsatz für das Thema
zeigten. Christoph Reichert und Tobias Berg danken wir für ihren
weit über das gewöhnliche Maß hinausgehenden Arbeitsaufwand bei
der Gestaltung und Programmierung der Internetseite. Mischa von
Perger hat viele Texte neu durchgesehen, überprüft und ergänzt
aufgrund weiterer Recherchen und Interviews. Den aus verschiedenen
Fachgebieten mitwirkenden Lehrerinnen und Lehrern des Maria-Theresia-Gymnasiums
gilt ebenfalls unser Dank: Andrea Heinl, die mit ihren Schülerinnen
und Schülern die englische Übersetzung der 205 Biografien anfertigte,
Jessika Kosmala, die das Internetprojekt auch auf der Schulhomepage
zugänglich machte, und vor allem Peter Wolf, der unserer spontanen
Idee, eine Internetseite zur Ausstellung zu kreieren, mit großer
Offenheit entgegenkam.
Evamaria Brockhoff, Michael Herdick
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