Die Gestaltung              
 
 
 

Es war eine Herausforderung, das umfangreiche Material, das die Projektgruppe vorlegte, in eine Ausstellungsform zu fassen und dem Inhalt eine angemessene Dramaturgie zu geben. Vorgabe war es, eine temporäre Ausstellung in einem eigens hierfür renovierten Raum in der schuleigenen Jugendstilvilla zu entwickeln und deren Umzug und Anpassung an andere Ausstellungsorte mit zu konzipieren.

Die dem Text- und Fotomaterial inhärente Dramaturgie wurde herausgearbeitet und diente als Grundlage für die räumliche Lösung mit einem Raum im Raum. Die als spiralförmige Kabine gestaltete Ausstellungswand bietet durch ihren streng chronologischen Aufbau eine eindeutige Führung, verzichtet jedoch im Wesentlichen auf die Emphase einzelner Texte oder Fotografien. Hiervon ausgenommen ist die Lebensgeschichte von Marianne Weil, die wegen ihrer besonderen Brisanz und verhältnismäßig umfangreichen Dokumentation als pars pro toto für die Schicksale ihrer Mitschülerinnen steht.

 

Die Ausstellung fordert durch ihren Aufbau den Besucher bewusst zur  persönlichen Auseinandersetzung heraus. Die Wände der Kabine sind mit Texten, Dokumenten und Fotografien dreier Kategorien versehen: mit Datum beschriebene staatliche Ereignisse und Verordnungen, die daraus resultierenden Auswirkungen auf das Leben der Juden in Augsburg und als umfangreichster Bereich die Konsequenzen für die jüdischen Mädchen. Auf der der jeweiligen Kabinenwand gegenüberliegenden Raumwand befinden sich Fotografien, die derselben Chronologie folgen, jedoch bis zum Abschlussball von Marianne Weils Jahrgang 1938 ausschließlich die schönen Seiten des schulischen Lebens dokumentieren. Wer sich entscheidet, sein Interesse eher diesem Teil des Ausstellungsraumes zu widmen, wird, ähnlich wie in der Zeit, als sich die beschriebenen Ereignisse zugetragen haben, nur wenig von den wirklichen Ereignissen und Gräueltaten der damaligen Zeit mitbekommen.

 

Für das Jahr 1939 wird exemplarisch an der Auswanderung von Marianne Weils Bruder Arie nach Palästina das Thema Emigration aufgegriffen und durch ein leicht geöffnetes, vergittertes raumeigenes Fenster illustriert. Beim Übergang von 1941 nach 1942 wechseln die Exponate von der Außen- zur Innenseite der Kabine. An dieser Stelle besteht die Möglichkeit, die Ausstellung vorzeitig durch einen dunklen Vorhang zu verlassen, ohne sich mit den immer bedrückender werdenden Inhalten befassen zu müssen. Wer sich entscheidet, in das Innere der Kabine einzutreten, wird mit immer spärlicher angeordneten Zeitdokumenten, jedoch mit immer konkreteren Fakten über Deportationen und Ermordungen konfrontiert. Die Wirkung der Ausstellungsinhalte wird an dieser Stelle durch die Form der zunehmend beklemmend wirkenden Kabine, die ab 1943/1944 praktisch ohne Tageslicht auskommt, verstärkt. Klimax ist die Todesanzeige Marianne Weils an der sparsam beleuchteten Stirnwand im Innersten der Kabine. In dieser Sackgasse muss der Besucher umkehren und die Ausstellung durch den dunklen Vorhang verlassen.

 

Ihren persönlichen Charakter erhält die Ausstellung durch die Originaldokumente und Fotografien und nicht zuletzt durch die Zeitzeugenberichte aus der damaligen und heutigen Zeit.
Die Wirkung der Fotografien wird durch den Einsatz von historischen Bilderrahmen verstärkt. Einige Texte sind auf Papier aus den 1930er-Jahren gedruckt. Als Ausstellungstafeln dienen mit schwarzem Tafellack gestrichene und mit einem altgedienten Schwamm bearbeitete Platten, die auf die Kabine montiert wurden.

Bettina Krugsperger und Roland Mylog