Schulchronik: Das Schuljahr 1934/35
(April 1934 bis April 1935)
 
 
 
   
  Lehrerratssitzung am 12.4.1934 (Protokoll)   Bek. d. Staatsm. f. Unt. u. Kult. v. 7.3.1934
Nr. VIII 9441 über … den deutschen Gruß …
  Bek. d. Staatsm. f. Unt. u. Kult. v. 22.3.1934 Nr. VIII 11034 über den Schulbesuch jüdischer und adventistischer Schüler   Rabbiner Ernst Jacob über die Sabbat-Stunde   Der Schulleiter F. Germann im Jahresbericht 1934/35   BDM       F. Germann   Lehrerratssitzung am 3.9.1934 (Protokoll)   F. Germann       Fachsitzung Geschichte am 14.9.1934 (Protokoll)   Hitler-Jugend Bann B 3 Augsburg   Außerordentliche Lehrerratssitzung am
5.11.1934 (Protokoll)
  F. Germann   Lehrerratssitzung am 15.2.1935 (Protokoll)   Freiheitsbeschränkungen für Juden               F. Germann          
                                                                                         
  »… werden folgende Ministerial-Entschließungen bekannt gegeben:

- über den Deutschen Gruß in der Klasse und Flaggenhissung (Die notwendigen Flaggenmasten werden demnächst von der Stadt beschafft.)

- über Schulfunk (Mittel zur Verbesserung und Erweiterung der Empfangsanlage sollen bei der Stadt beantragt werden.)

- über den Schulbesuch jüdischer und adventistischer Schüler

- über Saarpropaganda.«

  »Lehrer (einschließlich der Religionslehrer) und Schüler (Schülerinnen) erweisen einander innerhalb und außerhalb der Schule den deutschen Gruß (Hitlergruß).
Der Lehrer tritt zu Beginn jeder ...
  »Die jüdischen Schüler können am (jüdischen) Neujahr 2 Tage, am Versöhnungsfest 1 Tag, am Laubhüttenfest 2 Tage, am Beschlussfest 2 Tage, am Passahfest die 2 ersten und die 2 letzten Tage und am (jüdischen) Pfingstfest 2 Tage dem Unterricht fernbleiben. An den gewöhnlichen Samstagen können die adventistischen und jüdischen Schüler auf Ansuchen der Erziehungsberechtigten ganz oder für die ...   In der Bayerischen Israelitischen Gemeinde-zeitung, Jg. 10 (1934), Nr. 24 vom 15. Dezember, S. 526f., veröffentlichte der Augsburger Bezirksrabbiner Ernst Jacob den Aufsatz »Erfahrungen und Vorschläge zur Sabbat-Gestaltung für die jüdische Jugend«. Darin beschreibt er ein spezielles Sabbat-Programm, das er in Augsburg für jüdische Kinder einführte und 1934 aufgrund der Einrichtung des »Staatsjugendtages« stark erweiterte ...   »Beginnend mit der Feier des Geburtstages unseres Führers, die in der 1. Stunde des 20. April 1934 in den Klassen gehalten wurde, und der Feier zum Tag der nationalen Arbeit am 1. Mai 1934, die wegen des Brandes der Sängerhalle für alle Augsburger Volks- und höheren Schulen auf der Radrennbahn stattfand, lenkten wir im Unterricht das Denken und Fühlen unserer Schülerinnen immer wieder auf den großen Kampf um die ...   Der BDM (Bund deutscher Mädel) war eine Teilorganisation der Hitlerjugend (HJ). Im BDM sollten alle Mädchen und jungen Frauen zwischen 10 und 21 Jahren erfasst werden. Vorrangiges Ziel war die Erziehung für den Nationalsozialismus und die Vorbereitung auf die künftigen Aufgaben der Frauen in der nationalsozialistischen Volks-gemeinschaft. Außerdem wurden die BDM- Mädchen für verschiedene Arbeitsdienste bis hin zum Kriegshilfsdienst eingesetzt.
(G. Römer, Mutti war Jüdin)
 
Margot Lehrburger trat 12-jährig kurz nach Beginn des Schuljahres, am 30.5.1934, aus dem MT aus.
  »Am 23. Juni 1934 feierten wir auf dem rasenüberzogenen Schulhof gemeinsam mit der städt. Reischleschen Mädchenhandelsschule das Fest der deutschen Jugend mit folgender Ordnung:
1. Flaggenhissung, Ansprache d. Schulvorstandes, Deutschland- u. Horst-Wessel-Lied
2. Gymnastik (Klatschübungen, Freiübungen, Übungen mit dem Tennisring)
3. Wettkampf: Weitsprung; kleine Spiele (Ballrollen, Keulenstaffel, Kreisspiel) ...
  »Vom Ministerium lagen folgende Bekanntmachungen vor:

… betr. Beziehung von Hitlerjugend und Schule (In Ausführung dieser Bestimmungen wird beschlossen den 6-stündigen Vormittagsunterricht mit Kurzstunden zu 45 Minuten einzuführen. Die Samstagsstunden der Klassen I–IV werden auf Montag bis Freitag verlegt.)«
  »Die Vereidigung der Lehrerschaft auf den Führer fand am 4. September 1934 durch Herrn Oberbürgermeister Dr. Stoeckle statt.«  
Gertrud Bernheimer verließ im Alter von 14 Jahren am 4.9.1934, Lisbeth Kaufmann im Alter von 13 Jahren am 10.10.1934 das MT.
  »… für den 2. Staatsjugendtag (15.9.1934) die schulische Form festgelegt … Man einigte sich auf folgende vom Vorsitzenden vorgelegte Richtlinien für die Stoffauswahl, ohne dass der einzelne Lehrer streng daran gebunden sein sollte: I. Die Träger des nat.-soz. Gedankens: HJ, SA, SS. Die Hakenkreuzfahne, das Horst-Wessellied, Märtyrer der Bewegung; Schlageter, Horst Wessel, Herbert Norkus u.a. II. Die führenden Männer: ...   »Anfrage an das A.B. von Stetten’sche Institut Augsburg, Lutherplatz A 560, vom 26.10.34:

Betreff: Aufstellung einer Statistik

Wir ersuchen Sie nochmals, uns eine Aufstellung zu übermitteln, aus der wir ersehen, wie die religiöse Zusammensetzung der Jugendlichen im Alter von 6–10, 10–14, 14–18 und von 18 und darüber in Ihrer Schule ist.«
(Anm.: 10–14 Jahre alt: 9 jüdische Schülerinnen, 14–18 Jahre alt: 2 jüdische Schülerinnen)

  »Dr. Bauer, welcher vom 29.–31. Oktober im Auftrag des Ministeriums den gesamten Unterrichtsbetrieb an der Anstalt einer eingehenden Besichtigung unterzogen hatte, betonte eingangs der Sitzung, dass er auf Grund der besuchten Lehrstunden einen ausgezeichneten Gesamteindruck gewonnen habe. Er habe besonders Gelegenheit gehabt festzustellen, dass die Schülerinnen nicht zu bloßem Auswendiglernen, sondern zu selbständigem ...   »Dem Unterricht dienten mehr oder weniger auch zahlreiche Rundfunk-Sendungen, zunächst die regelmäßigen Darbietungen ›Die Jugend tritt an‹, sodann diejenigen zur Schillerwoche am 7., 10. und 12. November (Ein Volk bricht auf; Der heldische Schiller), ferner englische und französische Sendungen. Der Januar 1935 brachte am 18. eine Reichsgründungsfeier (Ansprache des Herrn Lederer von der Reischleschen Handelsschule) und am 30. in den Klassen kurze Gedenkfeiern zur Machtübernahme des Führers … Als neuen Oberstadtschulrat berief der Stadtrat am 29. Januar 1935 Herrn Studienprofessor Heinz Zwisler von der Städt. Höheren Handelsschule …«   »Dr. Germann weist einleitend darauf hin, welche grundlegende Stellung die Erkenntnisse der modernen Vererbungslehre und Rassenkunde in unserm neuen Staate einnehmen. Die Schule hat die wichtige Aufgabe diese Erkenntnisse der Jugend zu vermitteln. Dabei könne es sich nicht um ein einzelnes Fach unter vielen handeln, sondern eine ganze Reihe von Unterrichtsfächern (wie Biologie, Geschichte, Deutsch, Kunstgeschichte u.a.) müssten an dieser Aufgabe konzentrisch mitarbeiten. Somit ergebe sich die Notwendigkeit ...   Bek. d. Staatsm. f. Unt. u. Kult. v. 28.2.1935 Nr. VI 9333 über die Änderung der Prüfungsordnungen für Ärzte und Zahnärzte:
»… Die Zulassung zu den Prüfungen
und die Erteilung der Approbation ist von dem Nachweis der arischen Abstammung (Geburtsurkunden des Kandidaten, Geburtsurkunden und Heiratsurkunden der Eltern und der beiderseitigen Großeltern) abhängig zu machen.«
        »Da die Abiturienten und Abiturientinnen, die studieren wollen, vom 1. April bis 30. September 1935 in ein Arbeitslager einrücken müssen, entließen wir unsere 16 Abiturientinnen am 16. März 1935 mit einer Schulfeier, die in ihrem musikalischen Teil Werke unserer beiden 1685 geborenen deutschen Meister J. S. Bach und G. Fr.  Händel brachte und damit ihres 250. Geburtstages gedachte.«  
Unter diesen Abiturientinnen waren Elisabeth Englaender, Charlotte Heimann, Dora Landauer und Marianne Untermayer. In den Abitur-protokollen ist unter der Rubrik »Abstammung« bei diesen Schülerinnen verzeichnet: »nichtarisch (isr.)«, unter »Berufswunsch«: »Medizin«, »Hauswirtschaft«, »unbestimmt« und »Direktrice in Wäsche- und Aussteuergeschäft«. Elisabeth Englaenders Berufswunsch Medizin (ihr Vater war Zahnarzt) war zu dieser Zeit schon unmöglich.
Karola Goldstein verließ das MT ohne Schulabschluss im Alter von 14 Jahren am Ende des Schuljahres, am 5.4.1935.