Schulchronik: Das Schuljahr 1935/36
(April 1935 bis April 1936)
 
 
 
   
  Bek. d. Staatsmin. f. Unt. u. Kult. v. 29.4.1935 Nr. VIII 21779 über die Schülerauslese an den höheren Unterrichtsanstalten   F. Germann im Jahresbericht 1935/36   Aus amtlichen Schriftstücken   F. Germann   20.7.1935 »Neue Nationalzeitung Augsburg«   Bek. d. Staatsmin. f. Unt. u. Kult. v. 31.7.1935 Nr. VIII 36235 über den Besuch von Schullandheimen durch nichtarische Schüler   Bek. d. Staatsmin. f. Unt. u. Kult. v. 6.8.1935 Nr. VIII 37852 über die Rücksichtnahme auf Nichtarier in den Schulen   Tod eines Lehrers am MT       F. Germann   Freiheitsbeschränkungen für Juden       Bek. d. Staatsmin. f. Unt. u. Kult. v.  6.11.1935 Nr. IX 47921 über die Beteiligung ausländischer Schüler an nationalen Schulfeiern   Lagebericht des Regierungspräsidenten
K. Wahl vom 7.2.1936
  F. Germann   Vorträge, gehalten in Klasse G9 (Auswahl)   Reifeprüfung 1936, Sitzung Prüfungsausschuss (Protokoll)   Freiheitsbeschränkungen für Juden          
                                                                               
  »… Arische Schüler dürfen hinter nichtarischen
nicht zurückgesetzt werden. Es ist daher nicht angängig, an Nichtarier … irgendwelche Vergünstigungen zu geben (Schulgelderlass, freie Lehrmittel, Erziehungsbeihilfen und dgl.), solange sie arischen Schülern versagt werden.«
  »Am 1. Mai 1935 nahmen wir um 9 Uhr an der großen Jugendkundgebung auf dem Großen Exerzierplatz teil. Am Sonntag, den 11. Mai 1935 veranstalteten wir eine Muttertagsfeier, bei der Frl. Premauer einen Lichtbildervortrag über ›Mutter und Kind in der bildenden Kunst‹ hielt.«   »Im Stadtinnern wurde in der Nacht vom 23./ 24.5. an die Schaufenster jüdischer Geschäfte mit roter Farbe die Aufschrift ›Jude‹ angebracht … In der Nacht v. 24./25.5. zertrümmerten Unbekannte … 5 Schaufenster. Vom 29./30.5. nachts wurden im Schuhhaus des Juden Polatschek von unbekannten Tätern zwei Schaufenster … eingeworfen … Der Großteil der Bevölkerung verwirft solche Handlungen mit der Begründung, dass die ...   »Ferner besuchte die ganze Schule den Film ›Triumph des Willens‹ in den Kammerlichtspielen am 24. Juni 1935 und den Film ›Der alte und der junge König‹ am 25. Oktober 1935 im Gloriatheater … Der Gedanke des Luftschutzes wurde gepflegt … durch Stellung von Aufgaben in Mathematik und Physik, durch Lektüre deutsch- und fremdsprachlicher Texte, durch Beschaffung von Luftschutzkalendern ...   »… sieht sich die Stadtverwaltung veranlasst, mit sofortiger Wirkung den Juden das Baden in den städtischen Familienbädern und dem Sportbad zu verbieten … Auch an uns sind bereits von verschiedenen Seiten Badebesucher mit Beschwerden über das auffallende und Missfallen erregende Auftreten der Juden in den Sommerbädern herangetreten. Nun hat die Stadt mit diesem Verbot, das von vielen schon seit langem erwartet wird, jenen Missständen gründlich abgeholfen. Die Sommerbadebesucher wissen für diese Maßnahme zu danken.«
(G. Römer, Der Leidensweg)
  »Nichtarische Schüler und Schülerinnen sind in Schullandheime u. dgl. nicht mehr mitzunehmen. Sie haben während der Abwesenheit ihrer Klasse nach Weisung des Schulleiters am Unterricht einer anderen Klasse teilzunehmen.

Als nichtarisch gilt, wer von nichtarischen, insbesondere jüdischen Eltern oder Großeltern abstammt. Nichtarische Abstammung ist schon dann gegeben, wenn auch nur ein Eltern- oder Großelternteil nichtarisch ist.«

  »Ich habe Anlass, nachdrücklich darauf hinzuweisen, dass die Hauptaufgabe auch des Schulunterrichts – die Erziehung zu nationalsozialistischer Weltanschauung und Staatsgesinnung – durch Rücksicht auf Angehörige anderer Anschauungen niemals gehemmt werden darf. Wieweit etwa Nichtarier von Fall zu Fall von einzelnen Unterrichtsstunden und Schulfeiern befreit werden sollen, überlasse ich dem pflichtmäßigen Ermessen der Schulleiter.
In Vertretung gez. Dr. Stuckart«
  Am 17. August 1935 starb ein Lehrer des MT, Siegfried Zöllner.
 

 

 
Liselotte Stein verließ das MT im Alter von 14 Jahren am 1.9.1935 ohne Schulabschluss.
  »Die Rede des Führers vor der HJ auf dem Parteitag in Nürnberg hörten wir gemeinsam am Samstag, den 14. September 1935, ebenso am Mittwoch, den 9. Oktober 1935, die Reden des Führers und des Reichsministers Dr. Goebbels bei Eröffnung des Winterhilfswerks …

Bei einem unerwarteten Besuch des Führers in Augsburg am 25. September 1935 hatten einige Schülerinnen das Glück, den Führer begrüßen zu dürfen.«

  »Reichsbürger ist nur der Staatsangehörige deutschen oder artverwandten Blutes …«

Aus den »Nürnberger Rassegesetzen« (vom Reichstag einstimmig beschlossen):

15.9.1935 (Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre)

»Eheschließungen zwischen Juden und Staatsangehörigen deutschen oder artverwandten Blutes sind verboten. Trotzdem geschlossene Ehen sind nichtig, auch wenn sie zur Umgehung dieses Gesetzes ...

    »Unsere nationalen Schulfeiern sind für die reichsdeutschen Schüler bestimmt. Ausländische (nicht reichsdeutsche) Schüler sind grundsätzlich nicht zuzulassen. Ausnahmen bedürfen der besonderen Bewilligung des Schulleiters.«   »Da die zahlreichen Gesuche um Genehmigung des Weiterverbleibens von weiblichen Hausangestellten unter 45 Jahren bei Juden meistens abgewiesen worden sind, müssen sich diese vielfach ohne weibliche Dienstboten behelfen. Die katholische Presse veröffentlichte zahlreiche Anzeigen von Juden, die weibliche Hausangestellte über 45 Jahren suchen. Auch jüngere Ausländerinnen werden anscheinend da und dort eingestellt …«
(Römer, Der Leidensweg)
  »In den Handarbeits- und Bastelstunden wurde fleißig gearbeitet, um armen Kindern mit warmen Hemdchen, Stricksachen, Puppenspielsachen usw. eine Freude zu bereiten. An einem kalten Wintertage … verteilte Frl. Premauer eine Anzahl Halbhandschuhe, die am Samstag gestrickt worden waren, auf dem Markt an alte Weiblein. Am 13. Februar 1936 beteiligten sich 37 Schülerinnen der Klassen V–VII an der Augsburger Schülerfahrt nach Garmisch zum Besuch der Olympischen ...   - Über Familiennamen mit Behandlung der Namen der Schülerinnen der Klasse.

- Über Vornamen mit Behandlung der Namen der Schülerinnen der Klasse.

- Papierfabrikation und Geschichte der Haindlschen Papierfabriken.

(Anm.: Marianne Haindl, geb. 1916, Vater Fabrikbesitzer, besuchte die Klasse G9. Auch ihre beiden Schwestern waren MT-Schülerinnen, Elisabeth, geb. 1924, gest. 1956, und Annemarie, geb. 1930).
  »Zum 1. Male findet bei der Reifeprüfung eine mündliche Prüfung aus der Biologie (Vererbungslehre, Rassenkunde) statt … da seit Beginn des Schuljahres 1935/36 in diesem Fache Unterricht erteilt wird. Am 2. März waren vom Prüfungsausschuss folgende Themen für den deutschen Aufsatz ausgewählt worden: ...   Jüdische Apothekenbesitzer müssen ihre Apotheken an »deutsche« Apotheker verpachten. Sie dürfen selbst keine Apotheken mehr pachten. (26.3.1936)  
Ilse Cassel (13 Jahre), Lina Heymann (13 Jahre), Ruth Kupfer (10 Jahre), Johanna Landmann (14 Jahre) und Auguste Wolf (13 Jahre) verließen
das MT ohne Schulabschluss am Ende des
Schuljahres, am 2.4.1936.