Biografien   Sophie Heimann
Sophie Heimann
geb. 1883 in Oberdorf, Vater Kaufmann ebendort

Sophie kam aus Oberdorf am Ipf (heute ein Stadtteil von Bopfingen) in Ost-Württemberg. Die weit verzweigte Familie Heimann besaß dort u.a. ein Textilunternehmen (»H. L. Heimann«).
Sophie besuchte Augsburgs »Städtische Töchterschule«, die später »Maria-Theresia-Schule« genannt werden sollte, 1895/96 in Klasse 1 und von 1897 bis 1899 in den Klassen 3 und 4; die vierte Klasse war damals die Abschlussklasse.
Als verheiratete Grünsfelder lebte Sophie später in Frankfurt am Main. Am 15. September 1942 wurde sie nach Theresienstadt, von dort am 23. Januar 1943 nach Auschwitz deportiert.
Der Frankfurter Kaufmann Ferdinand Levi (1879–1967) war im September 1942 im selben Deportationszug wie Sophie Grünsfelder. Er hat in Theresienstadt überlebt und schrieb 1955 seine Erinnerungen. Darin heißt es: »Zwei Tage und zwei Nächte verbrachten wir in dem früheren Jüdischen Altersheim [in Frankfurt] … Der Aufenthalt dort war ein Vorgeschmack auf das KZ. Voll angezogen … ›schliefen‹ Männer und Frauen Kopf an Kopf, Seite an Seite auf dem Fußboden. Unsere Decken und Kissen waren uns weggenommen worden. Die SS-Posten annektierten alles, was schön und gut war, aus Rucksäcken und Koffern … Beamte der Gestapo stellten sodann fest, dass alle zum Transport bestimmten Personen zugegen waren. … Diese Personen und ihr Gepäck wurden scharf überprüft. Bei dieser Gelegenheit war auch ein Gerichtsvollzieher anwesend, der im Auftrag des Regierungspräsidenten den zur Deportation Bestimmten den Ausbürgerungsbescheid zustellte, mit dem ihnen die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt und ihr Vermögen zugunsten des Deutschen Reiches eingezogen wurde. … Nirgends ein Wehklagen, kein Jammern, kein Zähneklappern, – nur tiefe Trauer lag über den völlig überfüllten Räumen. … Auf Lastwagen stehend oder auf unseren Bündeln hockend, wurden wir zu einem offenen Bahngeleise in der Nähe des Osthafens befördert. Während der ganzen Fahrt wurden wir von einer johlenden Menge beschimpft und verhöhnt. ›Schlagt sie doch tot, warum die teuren Kohlen für den Transportzug!‹ Immer wieder diese Zurufe, offenbar einstudiert. … Lange, lange standen wir, bis endlich ein Zug kam, der uns aufnahm: 1300 Menschen … Möge der Leser dieser Zeilen sich selbst ein Bild davon machen, wie diese müde, gequälte, zitternde Herde mit ihren Bündeln, Koffern und Taschen, Säcken und Bettrollen unter Faustschlägen und Fußtritten der SS- und Gestapo-Zugbegleiter in den Zug eingeladen wurde. Nachdem das endlich geschehen war, erschienen in jedem Wagen zwei Uniformierte. ›Koffer und Bündel auf‹, befahlen sie. Und wieder wurde geraubt, gestoßen und getreten … Nach weiteren Kontrollen … wurden die Waggons ... verschlossen. Es folgte die Abfahrt in Richtung Theresienstadt. … Schließlich [am nächsten Tag, dem 16. September] erreichten wir unser Ziel: die Station Bauschowitz. Eine Anzahl Toter – einige hatten sich unterwegs das Leben genommen – waren zu beklagen. Die Waggontüren wurden aufgerissen. Empfangen wurden wir von dem Lagerkommandanten Dr. Seidl und seinen SS-Leuten sowie zwei ungeheuren Doggen, die auf einen Wink hin ihre Tatzen auf die Schulter eines Häftlings legten und bei der geringsten Bewegung nach dessen Kehle schnappten. … Einigermaßen geordnet traten wir den etwa fünf Kilometer weiten Weg ins Lager an. … Mühselig und beladen standen wir endlich vor den Kasematten, in die wir allmählich zum ersten Appell hineingedrängt wurden. … In dem nur schlecht erleuchteten Gewölbe wurden wir eingeteilt und gruppiert. Unsere Persönlichkeit – viel mehr hatten wir ja nicht mehr – wurde uns auch noch geraubt. Mir verblieb fortan die Nummer: XII/3–601. L.«
 
Literatur:
Ferdinand Levi, »Überleben in Theresienstadt«, in: Kommission zur Erforschung der Geschichte der Frankfurter Juden (Hrsg.), Elfi Pacht (Bearb.), Frankfurter jüdische Erinnerungen. Ein Lesebuch zur Sozialgeschichte 1864–1951, Sigmaringen 1997, S. 275–287 (gekürzt aus: F. Levi, Erinnerungen an eine nicht vergessene Zeit meines Lebens, aufgezeichnet 1955 in Buenos Aires, aufbewahrt im Jüdischen Museum Frankfurt a. M.).
Felix Sutschek, Bernhard Hildebrand, Museum zur Geschichte der Juden im Ostalbkreis in der ehemaligen Synagoge Bopfingen-Oberdorf, Bopfingen 2004.
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