Frieda Heymann
geb. 1886 in Augsburg, Vater Viehhändler
Friedas Eltern waren Michael Heymann (geb. 1848 in
Steinhart im Ries) und seine Cousine Johanna, geb. Heymann
(geb. 1850 in Pfersee bei Augsburg). Frieda war das zwölfte
von dreizehn Kindern des Paares. Ihr Vater betrieb in
Pfersee (das 1911 ein Stadtteil Augsburgs wurde) zusammen
mit seinen Brüdern David, Heinrich und Albert einen
Viehhandel. Frieda besuchte die »Städtische
Töchterschule«, die später »Maria-Theresia-Schule« genannt
wurde, von 1898 bis 1902 in den Klassen 1–4; die vierte
Klasse war damals die Abschlussklasse. Frieda heiratete
Willi Kraus (geb. 1881 in Augsburg), der aus katholischer
Familie stammte, aber Agnostiker war. Er betrieb zusammen
mit seinem Bruder Carl ein Geschäft für Glas- und
Porzellanwaren in der Jakobervorstadt (Firma Th. Kraus,
Jakoberstr. 17); beide Familien wohnten im selben Haus.
Frieda bekam drei Kinder, die katholisch erzogen wurden. Ab
1933 wurden Familie und Geschäft wegen Friedas
»nichtarischer« Herkunft schikaniert. Nachdem ihr Ehemann
1938 gestorben war, ließ sich Frieda – laut dem Zeugnis
ihrer Tochter Lore aus tiefer Überzeugung – katholisch
taufen; Vorteile durfte sie sich dadurch von den
rassistisch-antijüdischen Nationalsozialisten nicht
erwarten. Der älteste Sohn, Max (geb. 1922), konnte 1937
in die USA auswandern. Frieda wurde im August 1942 nach
Theresienstadt deportiert. Sie war zu dieser Zeit fast taub
– was ihr, wie sie später gegenüber ihrer Tochter bemerkte,
das Überleben im Lager erleichterte, da viele Gerüchte und
die damit verbundenen Aufregungen und Ängste an ihr
vorübergingen. In Theresienstadt übernahm sie ein Amt in der
Blindenfürsorge; um die oft ohne Möbel dahinvegetierenden
Kranken zu verstehen, musste sie sich zu ihnen auf den Boden
legen. Sie überlebte die Haftzeit und kehrte im Juli 1945
nach Augsburg zurück. Im Gepäck waren 28 Gedichte, die sie
im Lager verfasst hatte. Friedas Kinder Willy (geb. 1922)
und Lore (geb. 1926), die einen Vormund erhalten hatten,
waren in der elterlichen Wohnung geblieben, bis diese am 25.
Februar 1944 ausgebombt wurde. Lore wurde von der Familie
Mayer in Westheim (bei Augsburg) aufgenommen, wo sie im Mai
1945 wieder mit ihrem Bruder Max, der amerikanischer Soldat
geworden war, zusammentraf. Willy war von der Universität
München das Studium aus rassistischen Gründen verwehrt
worden, er wurde Ende 1944 als Zwangsarbeiter nach Jena
geschickt. Eine Freundin konnte ihn von dort retten.
Friedas Bruder August Heymann (geb. 1879) und seine Frau
Hedwig, geb. Herrmann (geb. 1889), sind im März 1943 nach
Auschwitz deportiert worden und kamen dort ums Leben.
1947 wanderten Frieda, Willy und Lore in die USA aus. Willy
wurde Kardiologe in Dallas (Texas). Lore wurde
Literaturdozentin in New York, später in Duisburg und zog
1989 zu ihren Töchtern nach Israel. Ihr Bruder Max war
Diplomat in verschiedenen Ländern. Frieda kehrte 1961 nach
Augsburg zurück. Frieda Kraus, geb. Heymann, ist 1962 in
Augsburg gestorben. Lore Kraus, die heute Liora Seewi
heißt, hat in Büchern Gernot Römers ihre Erinnerungen
veröffentlicht. Am 5. November 2006 hat sie anlässlich der
Wiedereröffnung des Jüdischen Kulturmuseums in Augsburg über
sich und ihre Mutter erzählt.
Literatur:
Liora Seewi, »Die stillen Helfer der Familie Kraus«,
in: Gernot Römer, »Wir haben uns gewehrt.« Wie Juden aus
Schwaben gegen Hitler kämpften und wie Christen Juden halfen,
Augsburg 1995, S. 201–212.
Liora Seewi, »Heute weiß ich endlich, wo ich hingehöre«, in:
Gernot Römer, »Jüdisch versippt.« Schicksale von »Mischlingen«
und nichtarischen Christen in Schwaben, Augsburg 1996, S.
55–73. Benigna Schönhagen, »Getrennt von allem, was
uns geblieben …«. Der Weg der Familie Kraus aus Augsburg,
dt.-engl., Augsburg 2008 (enthält sieben von Friedas
Theresienstädter Gedichten). |