Gertrud Loeb
geb. 1921 in Augsburg (in den
Schul-Jahresberichten ist kein Geburtsort angegeben), Vater
Kaufmann (»Max Ginsberger & Co.«), Geschäft Moritzplatz (Weberhaus)
Gertruds Vater Bernhard Loeb (geb. 1893 in Augsburg) war Inhaber
des Modewarengeschäfts »Max Ginsberger & Co.« im Weberhaus.
Gertruds Mutter hieß Rosa, geb. Gruenhut (geb. 1895 in Regensburg).
Gertrud hatte einen jüngeren Bruder namens Fritz (geb. 1925).
Gertrud besuchte die Maria-Theresia-Schule von 1931 bis 1937
in den Klassen 1–5 und L6.
1935 feierte Gertrud zusammen mit einigen anderen jüdischen
Mädchen ihre »Konfirmation« in Augsburg (Batmizwah: Fest der
religiösen Mündigkeit für jüdische Mädchen, kann individuell
am Sabbat nach dem 12. Geburtstag des Mädchens begangen werden,
wurde in Augsburg aber, ähnlich wie die protestantische Konfirmation,
jährlich oder in noch größeren Abständen für mehrere Jahrgänge
gemeinsam abgehalten).
Ende 1936 verweigerte das städtische Grundstücksreferat die
Verlängerung des Mietvertrags, durch den Bernhard Loeb seinen
Laden im Weberhaus (das der Stadt gehörte) führen konnte. Das
Geschäft musste verkauft werden.
Während des Krieges leistete Gertrud in der Ballonfabrik Augsburg,
so wie viele andere jüdischen Mädchen und Frauen auch, Zwangsarbeit.
Am 1. April 1942 wurde sie im Alter von 21 Jahren nach
Piaski in Polen deportiert und gilt als verschollen,
ebenso ihr Bruder Fritz und ihre Eltern Bernhard und Rosa Loeb.
Zwei Monate lang, von April bis Juni 1942, lebte auch der Ingenieur
Arnold Hindls aus Brno (Brünn) in Piaski – für ihn war dies
nur eine Verschleppungsstation von vielen, zwischen Theresienstadt
und Ossowo. Über Piaski schreibt er in seinen Erinnerungen (Einer
kehrte zurück, 1965): »Piaski, ein kleines Städtchen in
der Lubliner Woiwodschaft, ringsum von Sand und Sümpfen und
Wald umgeben, ist durch die Staatsstraße Lublin–Cholm (= Chelm)
in zwei Teile geteilt, weshalb sich das ehemals große, von etwa
dreitausend einheimischen Juden bewohnte Getto zu beiden Seiten
der Staatsstraße ausbreitete. Nur waren die beiden Gettoteile
jetzt, jeder für sich, mit hohen Bretterzäunen und Stacheldraht
eingefriedet, mit großen, ständig bewachten Toren, die nur vormittags
und nachmittags je eine Stunde am Tage geöffnet wurden und zur
Staatsstraße hin abgeschlossen waren. … Die Häuser des Gettos
waren zumeist aus Holz, mit nur kleinen Höfen, ineinandergeschachtelt,
vorwiegend ebenerdig, manche einstöckig. … Im Städtchen gab
es weder Wasserleitung noch Kanalisierung. Für die rund sechstausend
Menschen zählende Belegschaft der beiden Gettoteile … gab es
nur einen einzigen Brunnen mit annehmbarem Trinkwasser im südlichen
Getto, von dem pro Person und pro Tag nur ein Kübel von zehn
Liter Inhalt geholt werden durfte. … Am Rande des südlich gelegenen
Gettos, an der Staatsstraße, war in einem geräumigen, solid
gebauten Gebäude das Kommando der SS untergebracht, dem das
Getto unterstellt war. Von dem Balkon des Gebäudes konnte die
SS beide Gettoteile sehr gut beobachten. Bei jedem Besuch dieser
›Herrenmenschen‹ gab es reichlich Ohrfeigen, Fußtritte und Peitschenhiebe,
und ›nicht erlaubte‹ Lebensmittel, die ins Getto geschmuggelt
worden waren, wurden beschlagnahmt. … An Hunger starben hier
täglich zwanzig bis dreißig Menschen, die zu vollkommenen Skeletten
abgemagert waren. … Trotz dieser katastrophalen Verpflegungsverhältnisse
wurden alle arbeitsfähigen Männer und Frauen täglich gruppenweise
zu Erd-, Garten- und Straßenunterhaltungsarbeiten herangezogen
… Auch im Getto selbst gab es genug Arbeit, wie die Reinigung
und Vertiefung der Abflussgräben und Rigolen, die Errichtung
von Latrinen und immer wieder Latrinen, die nie ausreichten.«
Im Herbst 1942 wurden einige Juden aus Piaski nach Belzec, die
übrigen, etwa 4000, nach Sobibor gebracht und dort ermordet.
Sofort wurde das »Ghetto« durch Deportationen erneut belegt.
Der Name von Gertrud
Loeb ist auf einer Glastafel der Schoa-Gedenkstätte aufgeführt,
die im Augsburger Rathaus zu besichtigen ist (Künstler: Klaus
Goth).
Literatur:
Arnold Hindls, Einer kehrte zurück. Bericht eines
Deportierten, Stuttgart 1965, S. 12–32.
Maren Janetzko, »Die ›Arisierung‹
von Textileinzelhandelsgeschäften in Augsburg am Beispiel
der Firmen Heinrich Kuhn und Leeser Damenbekleidung GmbH«, in:
Andreas Wirsching (Hrsg.), Nationalsozialismus in Bayerisch-Schwaben.
Herrschaft – Verwaltung – Kultur, Ostfildern 2004, S. 153–183,
hier S. 163 (zum Verkauf von Bernhard Loebs Geschäft). |