Briefe und Erinnerungen   Auszug aus Anna Spiro, geb. Friedmann, Years to Remember, London 1988 (Privatdruck)

»Im Alter von zehn Jahren verließ ich die Grundschule und wechselte ans Maria-Theresia-Gymnasium … Ich genoss meine Anfangsjahre an dieser Schule und schloss viele Freundschaften … Das Leben an der Schule war in den ersten Jahren angenehm, aber es begann sich dann spürbar etwas zu ändern. Als ich eines Tages in der Lateinstunde die Frage des Lehrers nicht richtig beantworten konnte, ließ er folgende Bemerkung los: ›Ich dachte immer, die Juden seien so klug, aber offensichtlich muss ich meine Meinung ändern.‹

Das war typisch für diese Zeit und die zunehmende Macht der Nazis, und solch beleidigende Unverschämtheit musste ertragen werden …

Im Januar 1933 wurde Hitler deutscher Kanzler … An der Schule waren damals 28 Mädchen in meiner Klasse, neun davon waren jüdisch. Obwohl die meisten unserer Lehrer nach wie vor guten Unterricht gaben und sich normal verhielten, gab es doch einen oder zwei, die jegliche Gelegenheit nutzten, antisemitische Bemerkungen loszulassen … Ich habe es dann ausgesprochen verabscheut, in die Schule gehen zu müssen … Leute, die man kannte und achtete, schauten plötzlich weg, wenn man sie auf der Straße traf.«

(Übersetzung G. Hornung)

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