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					 (1) 
					 Heidelberger Abend / von Cläre Schmid-Nörr
  
					Tiefrot glüht im Kamin der Glimmer. Sechsmal holt aus mit 
					stumpfem Klang die alte Uhr in meinem Zimmer. Weit 
					draußen webt aus Dunst und Schimmer die Stadt sich ihren 
					Nachtvorhang.
  Ich steh am Fenster und erspähe, wie 
					sich ins Licht das Dunkel drängt, als ob ein finstres 
					Werk geschehe, da nun des Waldes blaue Nähe sich mir 
					mit Nebel grau verhängt.
  Da nun vom Efeu sich die 
					Weide den schwarzen Totenmantel flicht – und doch noch 
					über Wald und Heide einmal die morschen Stumpfe beide 
					aufreckt nach dem erloschnen Licht.
  Trutz bis zum 
					letzten Lebensreste grüßt sie den steinernen Genoß – 
					als Rahmen fügen ihre Äste sich hoch um die zerrissne 
					Feste, das tote Heidelberger Schloß.
  (Die 
					Schaubühne, Jg. 3, Bd. 2, Nr. 27, 4. Juli 1907, S. 13; 
					Name der Autorin laut Autorenregister: Schmidt-Noerr, Cläre) 
					
  (2)
  Gott-Maler
  Mit safranrotem Pinsel 
					überfuhr Gott seinen Himmel: Siehe da, es war Ein 
					einziger Strich auf dunkler Goldlasur, Unendlich sorgsam, 
					fein und farbenklar.
  Darüber, in des Westens 
					Rostbraun, schlug Der liebe Gott den hellen Abendstern 
					Als einen goldnen Nagel. Recht und klug, Nicht allzunah 
					dem Strich und nicht zu fern.
  Dann, mit der Spitze 
					seines Daumens, riß Er hoch ins Licht den silbergrünen 
					Rand Des jungen Mondes, zart und ungewiß, Davor die 
					Erde blau in Dämmrung stand.
  Das alles war, wie nach 
					der Kunst gemacht, Die aus der Andacht stillen Schauens 
					quillt Und war so liebevoll und wohlbedacht, Wie eines 
					alten Meisters Tafelbild.
  Es war der liebe Gott an 
					jenem Tag Ein frommer Künstler. Nicht wie sonst bedacht 
					Auf Menschentum und eifernden Vertrag Und rächendes 
					Verkünden seiner Macht.
  Cläre Schmid Romberg
  (Jugend 
					17 [1912], Heft 41, S. 1192)
 
  (3)
  An euch 
					Mütter.
  Ihr Mütter alle, die ihr hinwartend bangt 
					Und jetzt daheim am Ungewissen krankt Um eure Söhne: 
					Kelche eures Bluts Stumm dargebracht und ohne Gebärde des 
					Mut’s –
  Ihr Mütter, die ihr nicht wollen dürft, nur 
					tragen, Die ihr nur Wunden heilen dürft, nicht schlagen, 
					Die ihr, nicht kampfestoll im Wirbel mitgerissen, Nur 
					qualverwachte Nächte durch, auf Kissen Den Schrecknissen 
					des Ahnens hingegeben, Nachgrübelt euren fortgeschenkten 
					Leben, Den Tag der Notdurft opfert, die geblieben, Von 
					kleinen Pflichten treulich aufgerieben –
  Fern jenem 
					Männersturm, der den Tod verlacht, Ein Heer von Sorgen 
					nur in den Stuben bewacht: Ihr Mutterherzen, dies sei 
					euer Heil: An jedem Sieg habt ihr den gleichen Teil. 
					 Cläre Schmid-Romberg.
  Zuerst in der »Kölnischen 
					Zeitung« (Mittagsausgabe) vom 5. September 1914.
  
					(Julius Bab [Hrsg.], 1914. Der Deutsche Krieg im 
					Deutschen Gedicht, Heft 2: »Zwischen den Schlachten«, 
					Berlin o. J. [1914], S. 9) 
					
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