»... für den 2. Staatsjugendtag (15. September 1934) die schulische
Form festgelegt ...
Richtlinien für die Stoffauswahl
I. Die Träger des nat.-soz. Gedankens: HJ, SA, SS. Die Hakenkreuzfahne,
das Horst-Wessellied, Märtyrer der Bewegung; Schlageter, Horst Wessel,
Herbert Norkus u.a.
II. Die führenden Männer:
a) Hitler b) Göring c) Göbbels d) Hess, Frick, Darré, Schirach usw.
III. Die Hauptgedanken der Bewegung:
Volk und Rasse, Blut und Boden (Bauerntum), Zusammenschluss aller Deutschen,
Gleichberechtigung, Siedlungsbau und Kolonien, Staatsbürger, Volksgenosse,
Arbeitspflicht (Gemeinnutz geht vor Eigennutz), Brechung der Zinsknechtschaft
(Zinserniedrigung), Volksgesundheit, Volksheer, Presse, Religionsfreiheit.«
»Die gewaltigen Geschehnisse des Jahres, die nationalsozialistische
Revolution, die Schaffung eines neuen Staates und einer neuen deutschen
Volksgemeinschaft erlebten Lehrer und Schülerinnen in tiefster seelischer
Ergriffenheit mit. Zahlreiche Feiern und Gedenkstunden vertieften diese
Erlebnisse und stärkten die Liebe und Treue zum deutschen Volk und Vaterland
und zu seinem großen Führer Adolf Hitler ... Auch die Vorführungen der
Lichtspieltheater, die die ganze Schule besuchte, dienten der Vertiefung
der nationalsozialistischen Idee ...
›Blutendes Deutschland‹ ...
›Hitlerjunge Quex‹ ...
›Der Sieg des Glaubens‹ ...
›Blut und Boden‹ ...
›Jenseits der Weichsel‹.
Am Vormittage des 10. November 1933 ... hörten alle Schülerinnen in
der Turnhalle die Rede Hitlers aus den Siemenswerken in Berlin an das
schaffende Volk.«
»Die Vereidigung der Lehrerschaft auf den Führer fand am 4. September
1934 durch Herrn Oberbürgermeister Dr. Stoeckle statt.
... veranstaltete die Maria-Theresia-Schule ... am 7. und 9. Februar
1934 einen ›Lustigen Abend‹ karnevalistischer Art (Haydns Kindersymphonie
in dramatischer Einkleidung Kl. 2, Turnstunde der 1. Klasse in mannigfachen
Kostümen, Menuett Jungbrunnen Kl. 3a, dramatische Szene ›Er kann’s Leba
nit leide‹ Kl. G 8, Clowns Kl. G 6, Comedian Harmonists Kl. G 7, Knallbonbons
Kl. G 5/5a, Schattenspiel Kl. G 8).«
»Dr. Bauer, welcher vom 29. bis 31. Oktober im Auftrag des Ministeriums
den gesamten Unterrichtsbetrieb an der Anstalt einer eingehenden Besichtigung
unterzogen hatte, betonte eingangs der Sitzung, dass er auf Grund der
besuchten Lehrstunden einen ausgezeichneten Gesamteindruck gewonnen
habe. Er habe besonders Gelegenheit gehabt festzustellen, dass die Schülerinnen
nicht zu bloßem Auswendiglernen, sondern zu selbständigem Denken erzogen
würden ... Einer sauberen Schrift sollte hie und da noch mehr Augenmerk
geschenkt werden (Dr. Bauer wies in diesem Zusammenhang auf die bekannten
Klagen des bayer. Industriellenverbandes hin). Fachsitzungen sollten
regelmässig abgehalten werden, wozu ja die Stellungnahme zum nationalsozialistischen
Bildungsziel gegenwärtig reichlich Stoff biete.
Zum
Schluss ermahnte der Kommissär alle Lehrer nie müde zu werden, an ihrer
eigenen Vorstellung zu arbeiten, und forderte jeden einzelnen auf, getreu
dem geleisteten Eide das Seine zu tun um ein gesundes und tüchtiges
Frauengeschlecht im Sinne des 3. Reiches heranbilden zu helfen.«
»Elsbeth arbeitete bis zu ihrer Hochzeit im Unternehmen ihres Vaters.
Ihren zukünftigen Ehemann traf sie auf dem Tennisplatz. Im Jahre 1933
mussten sie einem jüdischen Tennisclub beitreten, denn ab diesem Zeitpunkt
war es der jüdischen Bevölkerung nicht mehr erlaubt, an öffentlichen
kulturellen Veranstaltungen teilzunehmen oder Mitglieder eines nichtjüdischen
Clubs zu sein. Rolf und Elsbeth waren assimiliert und keine Zionisten.
Sie hatten beide eine enge Beziehung zu Deutschland und zur deutschen
Kultur. Rolfs Freunde waren vor allem Nicht-Juden. Infolge des politischen
Drucks gaben viele ihrer Freunde den Kontakt mit ihnen auf.«
»Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten haben sich,
beginnend mit dem Boykott, die Verhältnisse von Monat zu Monat verschlechtert.
Augsburg hatte zwar den Namen dafür, dass es den Juden dort besonders
gut gehe: Misshandlungen und Plünderungen, wie sie anderwärts häufig
waren, sind meines Wissens nicht vorgekommen; immerhin mussten sich
die Juden mehr und mehr auf ihre Häuslichkeit beschränken, wenn sie
sich nicht Unannehmlichkeiten aussetzen wollten.«
»Im Alter von zehn Jahren verließ ich die Grundschule und wechselte
ans Maria-Theresia-Gymnasium ... Ich genoss meine Anfangsjahre an dieser
Schule und schloss viele Freundschaften ... Das Leben an der Schule
war in den ersten Jahren angenehm, aber es begann sich dann spürbar
etwas zu ändern.
Als ich eines Tages in der Lateinstunde die Frage des Lehrers nicht
richtig beantworten konnte, ließ er folgende Bemerkung los: ›Ich dachte
immer, die Juden seien so klug, aber offensichtlich muss ich meine Meinung
ändern.‹ Das war typisch für diese Zeit und die zunehmende Macht der
Nazis, und solch beleidigende Unverschämtheit musste ertragen werden.
...
Im Januar 1933 wurde Hitler deutscher Kanzler ... An der Schule waren
damals 28 Mädchen in meiner Klasse, neun davon waren jüdisch. Obwohl
die meisten unserer Lehrer nach wie vor guten Unterricht gaben und sich
normal verhielten, gab es doch einen oder zwei, die jegliche Gelegenheit
nutzten, antisemitische Bemerkungen loszulassen.
... Ich habe es dann ausgesprochen verabscheut, in die Schule gehen
zu müssen ... Leute, die man kannte und achtete, schauten plötzlich
weg, wenn man sie auf der Straße traf.«
»Sogar die neuen nationalsozialistischen Feiertage verbrachten die Mädchen
auf ihre eigene Weise, indem sie die sturen ideologisierenden Feste
scherzhaft auflockerten, so zum Beispiel das nationalsozialistisch umgeformte
Erntedankfest, während dessen sie nicht wie üblich marschiert, sondern
auf einem geschmückten Wagen mit Trachten und Dirndln gefahren sind.
Es war unsere Art, nationale Feiertage zu begehen.«
»Die Feier des ›Erntedankfestes‹ und des ›Tages des deutschen Bauern‹
begingen wir am Samstag, den 30. September 1933 mit dem Besuch des Pressmarschen
Gutshofes in Siebenbrunn ...
Am Sonntag, den 1. Oktober 1933 nahm die ganze Schule an dem großen
Festzug teil, der sie von Pfersee bis zur Rosenaustraße führte. An der
Spitze unserer Klassen schritten 3 Schülerinnen der 9. Klasse in BDM-Kleidung
mit großen Fahnen. Ihnen folgte ein ›Erntekranz‹, sowie die einheitlich
gekleidete Klasse IIIb als ›Wiener Wäschermädel‹; daran schloss sich
die Hauptmasse der Schülerinnen und den Abschluss bildete ein Festwagen
unserer 8. Gymnasialklasse. Da beide Tage auch von schönem Wetter begünstigt
waren, kehrten in Gedanken unsere Schülerinnen noch lange zu ihnen zurück.«
Jüdische Schülerinnen am MT 1933/34: 24
»In der dritten Klasse bekam sie
eine Auszeichnung für Malen und Skizzieren. In der sechsten
Klasse hatte sie auf alle 17 Noten ein ›Hervorragend‹ bekommen.«
Arie Weil in einem Brief vom 10. April 2004 über seine Schwester
Marianne Weil
Alfred (Arie) Weil,
der Bruder, geb. 1925 in Augsburg
• Emigration nach Palästina (1939)
• Schulausbildung und Arbeit im Kibbuz
• Heirat (1948)
• Tochter Tami (1949)
• Sohn Amos (1952)
• lebt in Kiryat Haim, Israel
Gertrud Weil,
die Schwester, geb. 1920 in Augsburg
• Maria-Theresia-Schule (1930–1935)
• Ausbildung zur Krankenschwester
• Arbeit in einem jüdischen Kinderheim
in München
• Arbeit in einem jüdischen Säuglingsheim
in Berlin (ab 1936)
• Krankenschwester bei einem jüdischen
Arzt in Augsburg (1939)
• Heirat mit Ernst Günzburger (1940), Fernehe
• nach Auschwitz deportiert (März 1943),
pflegt dort Kranke
Amalie Weil, geb. Lamm,
die Mutter, geb. 1895 in Nürnberg
• künstlerische Tätigkeit (Ölmalerei)
• Heirat mit Siegfried Weil (1919)
• Hausfrau
• nach Auschwitz deportiert (März 1943)
Siegfried Weil,
der Vater, geb. 1878 in Buchau
• Studium in Oxford, Diplom-Ingenieur für
Maschinenbau (1904–1908)
• Augsburg, Firma in Pfersee: landwirtschaftliche
Maschinen (1910)
• Heirat (1919)
• politisch erzwungene Aufgabe der Firma,
Vertreter für Schreinerartikel (um 1932)
• nach Krankheit gestorben in Augsburg (1938)
Marianne Weil wird am 8. Januar
1922 in Augsburg geboren. Mit sechs Jahren beginnt ihr Schulleben
an der St.-Anna-Schule. Am 7. April 1932 kommt sie an die Maria-Theresia-Schule.
Marianne besucht das Lyzeum. Sie hat ausgezeichnete Schulnoten
und ist eine begabte Grafikerin.
Der Anteil jüdischer Schülerinnen ist am
konfessionell ungebundenen »Maria-Theresia« bis in die 1930er Jahre vergleichsweise
hoch. Zu Beginn des Schuljahres 1932/33 sind an den staatlichen, städtischen
und privaten höheren Lehranstalten in Bayern unter den Schülerinnen 3,06 Prozent
als »Israeliten« verzeichnet.
Am Maria-Theresia aber sind es 9,04 Prozent
(33 Schülerinnen).
Zwischen 1895 und 1938 besuchten 201 jüdische
Mädchen das MT.