Nationale
Ereignisse
  1942  
 
»...was wir aus Augsburg hören. Nur wenige unserer lieben Freunde scheinen noch dort zu sein, und nur weil sie als Arbeitskräfte nicht zu entbehren sind. Dies wurde gemeldet ... von Frau Weil mit Gertrud und Marianne im Dezember 1942 ...«
 
»Über Augsburg selbst hatte ich Berichte von verschiedenen Neuankömmlingen, den ausführlichsten von Hugo Veith, der am 25. Juni in New York ankam und den ich so vollständig wie möglich wiedergeben will: ›... Martin Cramer ist auch im Amt geblieben, denn sein Posten ist heute wohl der schwerste. Er hat die Wohnungen unter sich. Täglich kommen Kündigungen. Der Mieterschutz gilt für Juden nicht, wenn irgendein Parteigrund vorgebracht wir. Die Folge ist, daß die Juden zusammengelegt werden ... Die große Synagoge ist noch in dem trostlosen Zustand, in dem einige von uns sie sahen. Sie wird zu Übernachtungen für Transporte (z.B. Polen-Transporte) als Nachtlager (Strohlager) benutzt.‹«
 
 
»Die angeordnete Überprüfung der Lehrerbücherei ist im Gange. Ältere Werke oder Schrifttum jüdisch versippter Autoren werden entfernt.«
 
 
»In Augsburg wurde durch Anordnung des Oberbürgermeisters die Einkaufszeit für Juden auf die jeweils erste Verkaufsstunde des Tages festgesetzt; der Besuch des Stadtmarktes wurde ihnen verboten. Der Oberbürgermeister berichtet hiezu, dass diese Regelung von der Bevölkerung begrüßt wurde. Es konnte aber bereits festgestellt werden, dass nun nichtjüdische Personen für Juden auf dem Wochenmarkt einkaufen ...
 
In den letzten Wochen sind aus dem Regierungsbezirk rund 430 Juden zur Aussiedlung weggebracht worden, auf die Stadt Augsburg entfallen hiervon 131. Ein jüngerer Jude hat vor der Aussiedlung einen Selbstmordversuch begangen. Durch weitere Aussiedlungsmaßnahmen sind mehrere schwäbische Städte und Gemeinden, wie z.B. Ichenhausen, Nördlingen, Fischach wieder judenfrei geworden. In Oberstdorf hat sich eine ältere Jüdin aus Angst vor dem Abtransport vergiftet.«
 
 
Tagesordnungspunkt »Einführung des Anstaltsvorstandes Oberstudiendirektor Dr. L. Sohr durch den Referenten des Städtischen Schulwesens, Stadtschulrat H. Zwisler«:
»Wechsel in der Führung. OStD Dr. F. Germann schied am Ende des letzten Schuljahres nach 32jähriger, ersprießlichster Tätigkeit infolge vorgerückten Alters (67. Lebensjahr) aus dem aktiven Dienst. OStD Dr. L. Sohr, der bisherige Leiter der Oberschule für Mädchen mit Schülerinnenheim am Frauentor, wurde durch Verfügung des Oberbürgermeisters vom 26.7.1942 mit der künftigen Leitung der Anstalt betraut.«
Tagesordnungspunkt »Schulfragen«:
»
Schulzucht – Schülersatzungen – Hausordnung – Klassenordnung – Haltung und Gruß. Auf die besonders durch die Kriegsverhältnisse bedingte Lockerung der Schulzucht und deren stramme Aufrechterhaltung wird vom Anstaltsleiter nachdrücklich hingewiesen. Stärkste Mithilfe aller muss verlangt werden. Volle Unterstützung durch den Direktor wird zugesagt.«
 
Zusammen mit ihrer Mutter und ihrer Schwester wird Marianne Weil 1942 aus der Wohnung vertrieben und muss in ein sogenanntes »Judenhaus« in der Hallstraße 14 ziehen, wo die Familie dann auf engstem Raum lebt.

31. Juli 1942
»Große Freude mit Nachricht. Hoffentlich gesund. Wir auch. Noch da, Großmutter heute fort. Gertrud, Marianne in Arbeit. Innigste Küsse Mutter.«

11. September 1942
»Am Vorabend des Neujahrsfestes erbitten Glück, Segen für Dich. Bete auch für uns! Zukunft sorgenvoll. Mädels schaffen. Innigst Gertrud, Marianne, Mutter.«

(Nachrichten vom Roten Kreuz an Arie Weil)
Piaski und Izbica liegen in der Nähe von Lublin in Polen. Zwischen März und Juni 1942 werden aus dem Ausland etwa 5000 Juden nach Piaski, etwa 17000 nach Izbica gebracht. Bei der letzten Räumung des geschlossenen Ghettos Piaski werden 1000 bis 2000 Juden erschossen. In Izbica leben viele Alte, Frauen und Kinder in »Ghettohäusern« unter katastrophalen Lebens-bedingungen. Die arbeitsfähigen Männer werden in Lublin von der SS selektiert und zur Zwangsarbeit in Majdanek geschickt. Viele Menschen aus Izbica und Piaski sterben in den Vernichtungslagern Belzec und Sobibor.

In der Stadt Gurs in Südwest-Frankreich ist ein Internierungslager eingerichtet. Dorthin werden viele jüdische Bürger aus dem badischen Raum und der Pfalz verschleppt. 1942 gehen Deportationen von Gurs nach Auschwitz.
Die Deportationen nach Theresienstadt beginnen im Juli 1942.

»Offiziell wurde dieses Lager ein Ghetto für alte Leute genannt, in Wahrheit war es für 88000 Männer, Frauen und Kinder eine Durchgangsstation auf dem Weg in Lager, in denen sie umgebracht wurden.«



»Piaski und benachbarte Orte waren Ziele der ersten Deportation aus Deutschland überhaupt gewesen. 800 Stettiner Juden hatten die braunen Machthaber dorthin im Februar 1940 ›ausgesiedelt‹. Im April 1942 wurden in einem Transport aus Bayern auch zahlreiche Schwaben dorthin deportiert. Wer nicht den Lebensumständen im Ghetto sowie der Zwangsarbeit beim Torfstechen zum Opfer fiel, starb in den Vernichtungslagern Belzec und Sobibor. Keiner der bayerischen Deportierten kehrte lebend zurück.«

 
»Nach Mitteilung des Stadtschulrats sind in der Volksschule ganze Mädchenklassen verlaust. Dies erklärt sich nicht nur durch den Krieg mit Einsatz der Eltern usw., sondern ist auch durch die Dauerwellenfrisur verursacht, da wochenlang kein Kamm die Haare berührt und diese durch Verfilzung einen guten Boden für das Ungeziefer darbieten.«
 
Deportationen von MT-Schülerinnen

deportiert im April 1942 nach Piaski
Klara Berberich (geb. 1886)
Gella Deller (geb. 1888)
Theri Fleischmann (geb. 1922)
Emma Heilbronner (geb. 1888)
Hildegard Levinger (geb. 1918)
Gertrud Loeb (geb. 1921)
Elsa Neumayer (geb. 1884)
Ernestine Obernbreit (geb. 1895)
Selma Reis (?) (geb. 1891)
Frieda Thanhauser (geb. 1891)
Emma Wolfsheimer (geb. 1886)

1942 deportiert nach Izbica
Rosa Steinfeld (geb. 1890)
Klara Wolf (geb. 1901)

deportiert im August 1942 nach Theresienstadt, 1945 dort befreit
Frieda Heymann (geb. 1886)

1942 deportiert nach Theresienstadt,
1943 verschollen in Auschwitz
Sophie Heimann (geb. 1883)

1942 deportiert nach Theresienstadt,
1944 verschollen in Auschwitz
Silva Krailsheimer (geb. 1890)
Selma Rosenfelder (geb. 1906)