Briefe und Erinnerungen von Zeitzeugen   Marianne Gollwitzer, geb. Haindl   Ursula Dorschky, geb. Bezzel   Eine Zeitzeugin       Marianne Cramer, geb. Untermayer   Ernst Cramer       Anna Spiro, geb. Friedmann       Elisabeth Stern, geb. Dann       Annelore Haines, geb. Baumgärtner   Gertraud Fendt           Lotte Treves, geb. Dann       Joan H. Stone, geb. Hertha Frank       Sophie Rosenfelder, geb. Reiter       Eugen Nerdinger   Ilse Baehr, geb. Thanhauser   Johanna Bernheim, geb. Bach       Marie Bach   Selma Cohen   Joyce Meltz, geb. Rosenbaum       Jean Mar (Ilse Marx)       Jean Mar über Ernestine Obernbreits Hochzeit  
 
   
Im Lauf ihrer Arbeit erhielt unsere Projektgruppe viele Briefe von Zeitzeugen. Außerdem wurden uns ältere Briefe und aufgezeichnete Erinnerungen zugänglich gemacht, die bisher nicht veröffentlicht sind. Daraus präsentieren wir hier eine Auswahl, zusammen mit kurzen Auszügen aus bereits veröffentlichten Texten.  

Eine Reihe von Fragen des Arbeitskreises beantwortete Marianne Gollwitzer, geb. Haindl, in einem Brief vom 24. Oktober 2004:

»Es ist richtig, dass wir in unserer Klasse von 1930 bis 1936 keine jüdische Mitschülerin hatten. Marianne Weil kannten wir persönlich nicht. Von der Emigration jüdischer Familien bekamen wir in unserer schulischen und privaten Umgebung kaum etwas mit. Eine der wenigen Ausnahmen war das Ausscheiden der Mitschülerinnen Landauer und Untermeier in Klassen über uns. Wir haben keine negativen Erinnerungen an das Zusammenleben mit jüdischen Mädchen am MTG und erlebten auch keine diskriminierenden Äußerungen oder Ausgrenzungen innerhalb oder außerhalb der Schule. Der Mathematiklehrer Siegfried Zöllner wurde wegen seiner fachlichen und menschlichen Qualitäten sehr geschätzt. Wir mochten ihn und fanden ihn sympathisch und witzig. Der Selbstmord seiner jüdischen Frau machte uns betroffen; Details blieben uns aber unbekannt. Das Klima am MTG auch nach 1933 empfanden wir als gut. Unsere beliebten Lehrer Meyer (Latein) und Dr. Keßler (Deutsch) äußerten ihre kritische und distanzierte Haltung zur NSDAP in all den Jahren zurückhaltend, aber doch stets unmissverständlich ...«

Brief von Ursula Dorschky vom 15. März 2004 an die Projektgruppe:

»Auf Umwegen erhielt ich den Ausschnitt der Augsburger Zeitung vom 10.3. ›Schüler auf den Spuren jüdischer Mädchen‹. Dazu möchte ich folgendes mitteilen. Vom April 1933 bis einschließlich Februar 1937 besuchte ich unter meinem Geburtsnamen Bezzel die 1.–4. Klasse des Maria-Theresia-Gymnasiums (zuletzt G 4). Dann verzogen wir wegen der Versetzung meines Vaters nach Bayreuth. Während des oben genannten Zeitraums besuchten drei Jüdinnen unsere Klasse, sehr nette und stets lustige Mädchen. Leider sind mir nur noch zwei Namen in Erinnerung: Ilse Cassel und Liesel Heymann. Mit letzterer legte ich täglich den Großteil meines Heimweges zurück. Alle drei Mädchen waren bis zu meinem Ausscheiden noch in der Klasse ...«

  Aus dem Brief einer Zeitzeugin vom 7. Januar 2004 an die Projektgruppe:

»Bei meinen
diversen Rückfragen hieß es immer: ›Keine Ahnung, was aus denen geworden ist, sie waren einfach nicht mehr da …‹«
 
  Aus einem Brief von Marianne Cramer, geb. Untermayer, von April 2004 an die Projektgruppe:

»Ich habe gute
Erinnerungen an eine sehr schöne Schulzeit im MTG mit guten Freunden und wunderbaren Lehrern
  Aus einem Brief von Ernst Cramer, Sohn von Klara Berberich, vom 11. Mai 1945, zitiert von Ernst Jacob, Rundschreiben Nr. 10, August 1945 (in: G. Römer, »An meine Gemeinde in der Zerstreuung«. Die Rundbriefe des Augsburger Rabbiners Ernst Jacob 1941–1945, Augsburg 2007, S. 101–115, hier S. 105–108):

»Viele ›arische‹ Deutsche waren Zeugen der Deportationen. Es muss gesagt werden, dass viele von ihnen unseren Freunden mit Nahrung, Wolldecken, Schuhen usw. halfen. Insbesondere im März 1942 muss es Tumulte rund um die Häuser mit jüdischen Bewohnern gegeben haben. Frauen weinten und schimpften, Kirchenleute setzten sich dafür ein, die Unglücklichen dort zu lassen, wohin sie rechtmäßig gehörten. Aber die Menge wurde auseinander getrieben und die Lastwagen fuhren ab. Es fällt mir nicht leicht, einen Bericht mit solchen Tatsachen zu schreiben, ebenso wie das Sammeln dieser Fakten eine der schwersten Aufgaben war, die ich jemals zu erfüllen hatte. Leute weinten, als sie mir diese Vorgänge berichteten, und ausgerechnet ich musste sie trösten. Ich selbst konnte nicht weinen, man kann um Freunde und Verwandte weinen, die am Ende eines normalen Lebenswegs sterben, aber wenn die Gräuel, unter denen die dir liebsten Menschen fortgehen mussten, so jenseits aller menschlichen Vorstellungen sind, dann kann sich auch der menschliche Schmerz nicht auf normale Weise äußern.«
 
  Auszug aus Anna Spiro, geb. Friedmann, Years to Remember, London 1988 (Privatdruck):

»Im Alter von zehn Jahren verließ ich die Grundschule und wechselte ans Maria-Theresia-Gymnasium … Ich genoss meine Anfangsjahre an dieser Schule und schloss viele Freundschaften … Das Leben an der Schule war in den ersten Jahren angenehm, aber es begann sich dann spürbar etwas zu ändern. Als ich eines Tages in der Lateinstunde die Frage des Lehrers nicht richtig beantworten konnte, ließ er folgende Bemerkung los: ›Ich dachte immer, die Juden seien so klug, aber offensichtlich muss ich meine Meinung ändern.‹ Das war typisch für diese Zeit und die zunehmende Macht der Nazis, und solch beleidigende Unverschämtheit musste ertragen werden. …
Im Januar 1933 wurde Hitler deutscher Kanzler ... An der Schule waren damals 28 Mädchen in meiner Klasse, neun davon waren jüdisch. Obwohl die meisten unserer Lehrer nach wie vor guten Unterricht gaben und sich normal verhielten, gab es doch einen oder zwei, die jegliche Gelegenheit nutzten, antisemitische Bemerkungen loszulassen ... Ich habe es dann ausgesprochen verabscheut, in die Schule gehen zu müssen ... Leute, die man kannte und achtete, schauten plötzlich weg, wenn man sie auf der Straße traf.«
(Übersetzung: G. Hornung)


 
  Auszug aus Elisabeth Dann, »Ein schweres, aber schönes Leben«, in: Gernot Römer, Hrsg., Vier Schwestern. Die Lebenserinnerungen von Elisabeth, Lotte, Sophie und Gertrud Dann aus Augsburg, Augsburg 1998, S. 67–104, hier S. 77f.:

»Unsere Klasse war die zweite oder dritte, die dort [an der Maria-Theresia-Schule] das Abitur machte. Wir waren zwischen 13 und 17 Schülerinnen, alle nett und begabt. Wir hielten Freundschaft weit über die Schulzeit hinaus; mit den wenigen, die noch leben, sogar bis auf den heutigen Tag.«
 
  Aus Briefen von Annelore Haines, geb. Baumgärtner:

Annelore Haines, geb. Baumgärtner, ist 1938 an die Maria-Theresia-Schule gekommen, in dieselbe Klasse wie Erika Charon. Nach dem Krieg hat sie in Augsburg einen Amerikaner kennengelernt, ist ihm 1947 in die USA gefolgt und hat ihn dort geheiratet. Das Ehepaar bekam zwei Kinder. Annelore arbeitete als Sekretärin und Chef-Assistentin im finanziellen und juristischen Bereich. Sie lebt heute (März 2006) mit ihrem Mann in Pennsylvania.
In einem Brief vom 12. März 2006 an das Maria-Theresia-Gymnasium schreibt Annelore Haines:
»Zufällig bin ich jetzt auf die Website des MTG gestoßen und habe mit besonderem Interesse das Schicksal der jüdischen Schülerinnen, u.a. der Erika Charon, … verfolgt. Dadurch habe ich jetzt erst erfahren, dass Erika in Auschwitz umgekommen ist. Ihr Schicksal bedrückt mich sehr. Ich kann mich noch gut an sie erinnern, da sie direkt in der Bank vor mir saß. …
Meine schöne Schulzeit in der Maria-Theresia-Schule, trotz der vielen Fliegeralarme, bleibt mir in lebhafter, lieber Erinnerung.«
In einer E-Mail vom 22. März kommt Frau Haines auf die Reichspogromnacht (9./10. November 1938) zu sprechen: ...
  Gertraud Fendt, von 1957 bis 1990 Lehrerin und Vertreterin des Schul-leiters am MT, 1938 zusammen mit Erika Charon Schülerin der Klasse 1a, erinnert sich an den ersten Schultag (G. Fendt: »Schulleben 1938–1946«, in: 100 Jahre Maria-Theresia-Gymnasium. Festschrift zur 100-Jahr-Feier des Maria-Theresia-Gymnasiums, Augsburg 1992, S. 44–60, hier S. 45):

»… Einzeln traten wir vor das Pult, hinter dem freundlich lächelnd der Klassenlehrer saß [Dr. Eduard Nübling]. Charon (wir wurden fast immer mit Nachnamen angesprochen), ein blasses, etwas rundliches, recht verlegen wirkendes Mädchen, trat vor. Die Vornamen konnte ich trotz meiner guten Position in der ersten Bank nicht verstehen. ›Kommen deine Vorfahren aus Frankreich?‹ fragte der Lehrer. Heftiges Kopfschütteln. ›Geh‹, sagte er aufmunternd, ›das darfst du doch sagen! Franzosen sind ja keine Juden. – Beruf des Vaters?‹ – ›Kaufmann.‹ – ›Konfession?‹ – Fast nur gehaucht: ›Israelitisch.‹ – Da wurde er so rot, wie ich das noch nie bei einem Menschen gesehen hatte. ›Entschuldigung!‹ stammelte er. – Das blasse Mädchen hatte schon Englischstunden gehabt, vom Turnen war es aber befreit, es mied Kontakte mit den anderen, in der Pause aber wollte man es nicht allein gehen lassen, da ging immer eine neben ihm her und versuchte mit ihm zu sprechen, aber es war sehr, sehr scheu. ...«
Gertraud Fendt erinnert sich an einen damaligen Lehrer (ebd., S. 55):

»Dr. [Georg] Keßler war aber auch mutig in seinen Äußerungen. Als wir Ägypten, Neues Reich, behandelten, sagte er: ›Sie trieben Imperialpolitik, und das ist immer der Anfang vom Ende.‹ – ›Aber das tun wir doch auch‹, wandte eine Schülerin ein. Er hob die Brauen, sein linkes Augenlid zuckte, und dann entgegnete er: ›Was ich gesagt habe, habe ich gesagt.‹
Diese Geschichte lieferten wir ein paar Jahre später schriftlich an die für die Entnazifizierung zuständige Spruchkammer. Unser Lehrer erfuhr das wahrscheinlich nie, aber es beschleunigte vielleicht seine Wiedereinstellung.«

»Entnazifizierung«: Verfahren gegen Nationalsozialisten nach dem Zweiten Weltkrieg. So genannte Spruchkammern stuften die Betroffenen als Hauptschuldige, Belastete, Minderbelastete, Mitläufer oder Entlastete ein. Der Fragebogen des »Military Government of Germany« umfasste 131 Punkte, die detailliert beantwortet werden mussten.


 
  Dr. Lotte Treves, geb. Dann, in einem Brief vom 22. Dezember 2005 an die Projektgruppe:

»... Leider kann ich Ihnen die versprochene Aufnahme von Prof. Zöllner nicht schicken; sie ist verschwunden, was schade ist, denn sie zeigte ihn vor der Tafel mit dem fast absolut genauen Kreis, den er zu zeichnen wusste, indem er das Schultergelenk als den festen Punkt eines Zirkels benützte und die Hand als die schreibende Spitze. Übrigens glaube ich, dass ich einer der allerletzten Menschen war, die mit ihm gesprochen haben. Ich war in den Universitätsferien von Turin daheim [im Sommer 1935] und er bat mich, zu ihm zu kommen, weil sein Sohn Walter Medizin studieren wollte und, da er halbarisch war, dies nicht in Deutschland konnte. Als ich zu ihm kam, fand ich den Professor sehr leidend, er hatte die Wohnungstüre offen gelassen, um nicht aufstehen zu müssen um mir aufzumachen. Er war offensichtlich sehr gequält. Wir unterhielten uns eine Weile und ich gab ihm die Informationen, die ihn interessierten; er entschuldigte sich, dass er mich nicht an die Türe begleitete, und am nächsten oder vielleicht übernächsten Tag fand ich seine Todesanzeige in der Zeitung ...«
Zu Siegfried Zöllner siehe auch das Gespräch mit Gertrud Prechter, geb. Sturzenegger.
 
  Die 11-jährige Hertha Frank emigrierte zusammen mit ihrer Mutter Fanny Frank, geb. Mendelsohn, im Juni 1937 in die USA.
Aus einer E-Mail von Joan Stone, geb. Hertha Frank, vom 8. Juli 2005:

»Als ich von 1936 bis Juni 1937 die Maria-Theresia-Schule besuchte, war Französisch die Fremdsprache, in der ich unterrichtet wurde. Ein wenig erinnere ich mich immer noch an das Französische.
Aber unglücklicherweise kam ich in den USA an, ohne Englisch zu können – und ohne Geld. Uns wurde lediglich erlaubt, 10 Mark pro Person mitzunehmen, was damals vier Dollars entsprach. Das Fehlen von Englischkenntnissen verursachte anfangs Probleme, für die Erwachsenen bei der Arbeitssuche, für die Kinder in der Schule. Aber wir waren alle begierig, uns in der neuen Heimat zu etablieren.«

(Übersetzung: Mischa von Perger)
 
  Brief von Sophie Rosenfelder, Mutter von Selma Rosenfelder, aus Theresienstadt, nach der Befreiung im Mai 1945.
Abschrift von Sophie Rosenfelders Enkel Hermann Steinberg (später Herman Stone), datiert »Konradshofen, den 21.8.1945«.

Bei der Eröffnung der Ausstellung im Maria-Theresia-Gymnasium (Herbst 2005) trug die Schauspielerin Karla Andrä diesen bewegenden »Brief aus Theresienstadt« vor.
 
  Aus einem Brief von Prof. Eugen Nerdinger an Arie Weil vom 17. Januar 1986, mit einer Erinnerung an Marianne Weil:
 
»Ich erinnere mich an Marianne sehr gut, weil sie eine Reihe hinter mir saß, weil sie mir vertraute – auch darum, weil ich unter meinen Freunden eine Reihe von Juden aus der Jugendbewegung hatte. Marianne ist mir als mittelgroßes, schlankes Mädchen in Erinnerung, schwarzes Haar, gescheitelt und in zwei kräftigen Zöpfen den Rücken hinabhängend. Sie war sehr intelligent, in der malerischen und zeichnerischen Darstellung sehr begabt und gewissenhaft. Ein bisschen spröde und auf Distanz bedacht – angesichts einer begeisterten Hitlerjugendschaft von Mitschülern nicht verwunderlich. Dennoch war sie mutig und stolz ... Frühjahr 1940: Auseinandersetzung in der Klasse von Prof. Fritz Döllgast um eine Jüdin: Marianne Weil. Ihr war von einem mitstudierenden Volksschullehrer vorgeworfen worden, in einer gegebenen Klassenaufgabe, betitelt ›Leuchte‹, einen siebenarmigen Leuchter als Aufgabenlösung abgeliefert zu haben, was er und schließlich die ganze Klasse als einen Affront gegen die nationalsozialistischen Überzeugungen der Schülerschaft bezeichnete.«
  Ilse Thanhauser-Baehr, Wir haben überlebt. Erinnerungen (unveröffentlicht, geschrieben ca. 1993–1998).

»Jede Geschichte braucht eine Überschrift. Diesem Abschnitt meines Lebens möchte ich die Überschrift geben:
›Wir haben überlebt‹

Ich widme den Bericht meiner Familie, damit sie alle wissen und ihren Kindern und Enkeln erzählen können, welch schreckliche Zeiten wir im 20. Jahrhundert durchmachen mussten.

Ich beginne die Geschichte meines Lebens mit dem Anfang.
Ich wurde am 23. April 1910, in der Nacht vor Pessach, [in Augsburg] geboren. Meine Mutter hat mir erzählt, dass es eine schwere Geburt war und dass sie Höllenqualen litt, ja fast gestorben wäre.
Wir waren eine praktizierende, nicht orthodoxe jüdische Familie. Am Freitagabend und am Samstag gingen wir in die Synagoge, wo meine Schwester Klara (Claire) und ich auch im Chor sangen ...«
  Auszug aus den Erinnerungen von Johanna Bernheim, geb. Bach, Schwester von Marie Bach:

»Meine Schwester [Marie], die jüngste von uns vieren und Hauswirtschaftslehrerin, ging als erste [ins Ausland, und zwar] 1932 in die Schweiz. Sie übersiedelte später nach Frankreich, stellte aber keinen Einbürgerungsantrag, weil sie ihre Ferien mit uns in Deutschland verbringen wollte. Außerdem besaß sie noch etwas Geld in Deutschland und wollte nicht den Großteil durch Tausch verlieren. So besuchte sie uns jedes Jahr und gab dann ihre Zinsen aus. Zuerst hatte sie die Erlaubnis der Devisenstelle einzuholen und sich sogar persönlich in der nächsten Hauptstadt vorzustellen (weil sie eine sogenannte ›Devisenausländerin‹ war). In den letzten Jahren brauchte sie eine Bescheinigung vom Arzt meines Vaters, um eine Sondererlaubnis für längere Besuche zu bekommen. Es gab Nachfragen der Gestapo, aus welchen Gründen sie gekommen sei, wie lange sie bleiben wolle, wo in Paris sie lebe, mit wem sie sich treffe. Einmal erschienen sie unangemeldet ...«
 
  Zwei Briefe von Marie Bach aus dem Lager Gurs an ihre Schwester Hannah Bernheim, USA:

»Lager Gurs, Block M, Baracke 21,
1. Mai 1941

Meine Lieben,

tausend Dank für Euren lieben Brief, der mich aus Marseille erreicht hat. Ich war glücklich, Eure guten Nachrichten zu bekommen, vor allem, dass es Dir gelungen ist, die Affidavits zu erhalten, liebe Hannah. Es ist toll, dass Du das geschafft hast, in Anbetracht des Alters der betreffenden Personen und des Verwandtschaftsgrads hat das Affidavit bestimmt einiges gekostet. Natürlich sind das große Sorgen, die nun auf Euch lasten, und ich werde meinen Teil davon übernehmen, sobald ich kann. Bis zum Monat Juli sind alle Überfahrten ausgebucht. Ich werde versuchen, durch das Hivern eine Beihilfe zu bekommen. ...«
  Brief von Selma Cohen, geschrieben 1945 in Schweden, nach ihrer Befreiung aus einem Arbeitslager bei Kiel:

»Holsbybrunn, den 11. August 1945

Liebe Ruth und Erna,

schon lange bemühe ich mich Eure Adresse zu erfahren, leider haben meine Brüder in Sao Paulo bis dato außer meinem Telegramm noch keine einzige Zeile von mir erhalten, obwohl eine ganze Anzahl Briefe von mir unterwegs ist, so dass ich auf meine wiederholte Frage auch keine Antwort haben kann. Der Kontakt mit Südamerika funktioniert furchtbar schlecht, während der mit U.S.A. geradezu floriert. Diese Woche erhielt ich den ersten Brief aus Sao und stehen auch von dort noch die meisten – vorher abgesandten aus. Nun kam gestern meine Kollegin Margot Stoppelmann von einer längeren Reise zurück und überreichte mir Deine Zeilen lb. Ruth, die ich natürlich gleich beantworten will.
Leider kann ich Euch nur sehr Trauriges berichten, aber so schwer mir dies fällt, hat es ja keinen Zweck mit der Wahrheit zu jonglieren ...«
  Joyce Meltz, die Tochter von Ruth Kahn, lebt mit Ehemann, Kindern und Enkeln in den USA. Zu ihren aus Augsburg stammenden Verwandten gehören Eva Eckert, Elisabeth (Else) Kahn und Gertrud Lerchenthal. Aus einem Brief, den Joyce Meltz im November 2006 an die Projektgruppe schrieb:

»[Meine Mutter Ruth Rosenbaum, geb. Kahn,] war eine wunderbare Hausfrau. Sie liebte das Kochen, ihren Garten und unser ›Häuschen‹ am Strand, auch klassische Musik und Bridge.
Mein Vater Kurt Rosenbaum (er kam aus Gießen) emigrierte 1934 nach Chicago, Illinois, kurz nachdem seine Zulassung aufgehoben worden war – was ihm die Nazi-Regierung 1933 per Postkarte mitgeteilt hatte. Er hatte an den Universitäten Frankfurt a. M. und Heidelberg studiert und war Rechtsgelehrter geworden, in den USA aber musste er eine andere Arbeit annehmen, um die Überfahrt seiner Eltern bezahlen zu können. Schließlich wohnten sie alle in Philadelphia (meine Eltern lernten sich durch beiderseitige Freunde in New York kennen), wo ich 1943 geboren wurde. Mein Vater wurde Repräsentant einer Fabrik für Büromöbel und war dabei recht erfolgreich. Meine beiden Eltern lernten perfekt Englisch und waren in den USA völlig assimiliert – genauso, wie sie es in Deutschland gewesen waren ...«
 
  »Augenzeugin von Geschichte. Deutschland in zwei Weltkriegen

Ich wurde in Deutschland, im Dorf Buttenhausen, als ältestes von drei Mädchen geboren. Als meine jüngste Schwester geboren wurde, war ich drei Jahre und drei Monate alt. Ich erinnere mich deutlich daran, wie die Hebamme das Neugeborene hochhielt und fragte: ›Ilse, möchtest du deine neue Schwester sehen?‹ Ich blickte neugierig und glücklich auf meine neugeborene Schwester. Als ich in das benachbarte Zimmer sprang, sah ich zu meiner Überraschung, dass mein Vater eine bekümmerte Miene machte. Mit drei Jahren konnte ich nicht verstehen, warum, aber in späteren Jahren wurde es klar. Die Mutter meines Vaters war bei einer Geburt gestorben, als er ein Jahr alt war, und das Sprichwort ging: ›Wenn eine Mutter ein Kind zur Welt bringt, steht sie mit einem Fuß im Grab.‹ Er war in Sorge um meine Mutter gewesen. Würde sie heil davonkommen? Zum Glück tat sie es, und die bekümmerte Miene verschwand. ...«

 
  Jean Mar (Ilse Marx) erinnert sich an die Hochzeit ihres Onkels Jacob Gruber mit Ernestine Obernbreit, Augsburg, im Juli 1919.

»Eine Hochzeit im Sommer

Der jüngste Sohn meiner Großeltern diente vier Jahre lang (1914–1918) in der deutschen Armee. Ein Jahr später war er verlobt. Zu jener Zeit wurde das Hochzeitsmahl im Haus des Bräutigams abgehalten, gewöhnlich im Wohn- und Esszimmer. Das Brautpaar, die Eltern und alle Geschwister fuhren in einem Pferdewagen, genannt ›Viktoria-Kutsche‹ (es war das bevorzugte Reisemittel der Königin Viktoria), in die Synagoge zur Hochzeits-Zeremonie, die an einem Sonntag stattfand. Danach kehrten die Gäste zum Haus meiner Großeltern zurück, um das Hochzeitsmahl einzunehmen. ...«
 
   
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