Gertrud
Nathan
geb. 1898 in Augsburg, Vater Fabrikbesitzer
(»Bernheim & Co«)
Gertruds Vater hieß Rudolf Nathan (geb. 1872 in Ulm), ihre Mutter
Lina, geb. Bernheim (geb. 1874 in Ulm). So wie Gertrud besuchte
auch ihre jüngere Schwester
Alice die Maria-Theresia-Schule. Die beiden Mädchen hatten
einen Bruder, Ernst (geb. 1905).
Die Firma »R. Bernheim« stellte in Pfersee bei Augsburg (ab
1911 ein Augsburger Stadtteil) Imprägniermittel und andere Produkte
für die Textilindustrie her. Sie war 1888 auf den Namen von
Rosa (Röse) Bernheim gegründet worden. Deren Sohn Siegfried
Bernheim übernahm die Fabrik. Rudolf Nathan, ein Bruder von
Siegfried Bernheims Ehefrau Maria (geb. 1873), wurde Teilhaber.
1933/34 gab es einen Prozess gegen die Firma R. Bernheim wegen
Steuerhinterziehung. Gertruds Eltern waren 1931 nach Zürich
gezogen, so war Rudolf für die deutsche Justiz nicht erreichbar.
Gertrud besuchte die »Städtische Töchterschule«, die ab 1914
»Maria-Theresia-Schule« hieß, von 1909 bis 1915, zuerst in den
Klassen 1–6 (wobei Gertrud die zweite Klasse übersprang), dann
noch für ein Jahr in der »Frauenschule«.
Am 23. April 1914 fand eine Feier statt, nach der die Eltern
der Schülerinnen den soeben fertiggestellten Neubau der Maria-Theresia-Schule
besichtigen konnten. Dabei wurde Ernst Johann Groths Stück
Madame Breitkopf. Dramatisches Kulturbild aus dem deutschen
Frauenleben der Rokokozeit aufgeführt, in dem Gertrud die
Rolle von Gertrud Obermann »aus Goethes Jugendkreis« spielte
(vgl. Goethes Briefe aus der Leipziger Zeit sowie Dichtung
und Wahrheit, zweiter Teil, achtes Buch).
Gertrud heiratete 1920 Helmuth Bloch (geb. 1893 in Mülhausen,
Elsass), einen Mitinhaber der Textilfirma »Bach & Bloch«. Das
Ehepaar wohnte in der Frölichstraße 14. Sohn Wilhelm wurde 1917
geboren; es folgten zwei Töchter:
Margarete (geb. 1921) und Gabriele (geb. 1930).
Die Familie Bloch wanderte 1936 in die USA aus. Dort arbeitete
Helmuth, der sich jetzt Henry nannte, als Versicherungsvertreter.
Er starb 1954 in Los Angeles.
Gertrud Bloch, geb. Nathan, ist 1987 ebenfalls in Los Angeles
gestorben.
Gertruds Bruder Ernst ging 1924 nach Reutlingen, vermutlich
um an der dortigen Fachschule, dem »Technikum für Textilindustrie«,
zu studieren. Später ist er, ebenso wie seine Eltern von der
Schweiz aus, in die USA emigriert. 1991 starb er in Providence
(Rhode Island).
Gertruds Vater Rudolf starb 1961.
Gertruds Tante Maria (Marie) Bernheim zog mit ihrem Ehemann
nach München. Von dort wurde sie, inzwischen verwitwet, im Juni
1942 nach Theresienstadt deportiert, wo sie Anfang 1944 starb.
Literatur:
Bernd Serger, Karin-Anne Böttcher, Es gab Juden
in Reutlingen. Geschichte – Erinnerungen – Schicksale. Ein historisches
Lesebuch, Reutlingen 2005, S. 60–84 (zu den jüdischen Studenten
am Reutlinger Technikum für Textilindustrie).
Erhard Bernheim, »Halbjude« im Dritten Reich. Die Erinnerungen
des Augsburger Fabrikanten Erhard Bernheim, hrsg. von Gernot
Römer, Augsburg 2000. |