Briefe
und Erinnerungen |
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Gertraud
Fendt, von 1957 bis 1990 Lehrerin und Vertreterin des
Schulleiters am MT, 1938 zusammen mit
Erika Charon Schülerin
der Klasse 1a, erinnert sich an den ersten Schultag
(G. Fendt, »Schulleben 1938–1946«, in: 100 Jahre
Maria-Theresia-Gymnasium. Festschrift
zur 100-Jahr-Feier des Maria-Theresia-Gymnasiums,
Augsburg 1992, S.
44–60, hier S. 45). |
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»… Einzeln traten wir vor das Pult, hinter dem freundlich lächelnd
der Klassenlehrer saß [Dr. E. Nübling].
Charon (wir wurden fast immer mit
Nachnamen angesprochen), ein blasses, etwas rundliches, recht
verlegen wirkendes Mädchen, trat vor. Die Vornamen konnte ich
trotz meiner guten Position in der ersten Bank nicht verstehen.
›Kommen deine Vorfahren aus Frankreich?‹ fragte der Lehrer.
Heftiges Kopfschütteln. ›Geh‹, sagte er aufmunternd, ›das darfst
du doch sagen! Franzosen sind ja keine Juden. – Beruf des Vaters?‹
– ›Kaufmann.‹ – ›Konfession?‹ – Fast nur gehaucht: ›Israelitisch.‹
– Da wurde er so rot, wie ich das noch nie bei einem Menschen
gesehen hatte. ›Entschuldigung!‹ stammelte er. – Das blasse
Mädchen hatte schon Englischstunden gehabt, vom Turnen war es
aber befreit, es mied Kontakte mit den anderen, in der Pause
aber wollte man es nicht allein gehen lassen, da ging immer
eine neben ihm her und versuchte mit ihm zu sprechen, aber es
war sehr, sehr scheu.
Nach der sog.
Kristallnacht (1938) kam es nicht mehr in die Schule. Das Dienstmädchen
holte die Bücher und Hefte unter seiner Bank, und man sagte
uns auf unser erstauntes Fragen hin, es gehe jetzt in eine Schule
bei der Synagoge. Das sei einfacher mit dem Religionsunterricht
und auch mit dem Sabbath, wo wir ja Schule hatten. Wieder ein
Anflug von Röte im Gesicht des Lehrers, aber wir verstanden
nicht. Es müsse auch mehr Englischstunden haben als wir, denn
es werde wohl bald nach England oder Amerika auswandern. (Hoffentlich
hat die Charon das noch geschafft; wir haben nie mehr von ihr
gehört.)«
Nachtrag
2005: Erika Charon starb 1943 im Alter von 15 Jahren in Auschwitz.
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