Marie Bach
geb. 1902 in Augsburg, Vater Kaufmann, Prinzregentenstraße

Maries Vater hieß Max Bach (geb. 1859 in Altenstadt an der Iller), ihre Mutter Mathilde, geb. Frankfurter (geb. 1873 in Stuttgart).
In Augsburg führte Max Bach eine Häute-Großhandlung. Das Ehepaar bekam vier Kinder: Johanna, Fritz, Albert und Marie. Die Mutter starb 1938 in Tübingen, der Vater 1940 im Jüdischen Krankenhaus in München.
Marie besuchte die Maria-Theresia-Schule von 1913 bis 1920 oder 1921, zunächst in den Klassen 1–6 der »Höheren Mädchenschule«, zum Schluss noch für ein oder zwei Jahre in der »Frauenschule«.
Am 23. April 1914 fand eine Feier statt, nach der die Eltern der Schülerinnen den soeben fertiggestellten Neubau der Schule in der Gutenbergstraße besichtigen konnten. Dabei wurde Ernst Johann Groths Stück Madame Breitkopf. Dramatisches Kulturbild aus dem deutschen Frauenleben der Rokokozeit aufgeführt. Marie spielte darin die Rolle von Dorchen, einer Tochter von »Madame Stock« (vgl. Goethe, Dichtung und Wahrheit, zweiter Teil, achtes Buch).
Marie feierte 1918, gemeinsam mit ihrer früheren Schulkameradin
Selma Cohen, ihre »Konfirmation« in Augsburg (Batmizwah: Fest der religiösen Mündigkeit für jüdische Mädchen, kann individuell am Sabbat nach dem 12. Geburtstag des Mädchens begangen werden, wurde in Augsburg aber, ähnlich wie die protestantische Konfirmation, jährlich oder in noch größeren Abständen für mehrere Jahrgänge gemeinsam abgehalten).
Nach der Schulzeit arbeitete Marie als »Haushalt-Lehrerin«. Sie ging 1932 in die Schweiz, wenig später nach Paris und wurde 1940 im Lager Gurs in Südwest-Frankreich interniert, so wie auch
Else Einstein. Aus Paris und Umgebung trafen am 23. Mai 1940 im Lager 2364 Frauen ein, darunter auch viele Jüdinnen. Es handelte sich um ledige oder kinderlos verheiratete Frauen mit deutscher
 




Staatsangehörigkeit, die, als Deutschland den Krieg gegen Frankreich ernsthaft zu führen begann, unter Generalverdacht gestellt und auf diese Weise festgesetzt wurden. Nachdem dann am 22. Oktober 1940 etwa 7500 badische und saarpfälzische Juden nach Gurs deportiert worden waren (darunter Rosa Lieblich), schickte die Polizei der Vichy-Regierung auch weiterhin Juden, die in Frankreich aufgegriffen wurden, in dieses Lager.
Marie fühlte sich verpflichtet, dem Rabbi im »Camp de Gurs« zu helfen; als Verwandte sie mit Geld zu befreien versuchten, soll sie es deshalb abgelehnt haben, das Lager zu verlassen. Maries Nichte Hanna Lantz, geborene Hannelore Bach, schrieb am 28. Dezember 1994 aus Taylor (Michigan) an Eleonore Philipp, nach fast 50-jähriger Emigration in immer noch leidlich verständlichem Deutsch: »Tante Marie Bach – die jüngste Schwester von meinem Vater – ist in Paris gelebt. Da hatte sie auch gearbeitet. War sie zum Gurs Concentration Camp genommen und hatte meine Tante Lisbeth (der jüngere Bruder von meinem Vater Albert ist ihr Mann und die leben in Israel) hatte noch jemand in diesen Camp Geld gegeben. Sagte aber Tante Marie – sie kann nicht den Rabbi im Camp verlassen und wollte ihm immer helfen. Sie war sehr religious. Dann wurde sie zu Theresienstadt genommen und ist sie mit Gas ermordet.« Statt »Theresienstadt« muss es wohl »Auschwitz« heißen: 1942 und 1943 wurden die jüdischen Häftlinge von Gurs über das Durchgangslager Drancy (bei Paris) nach Auschwitz und anderen Vernichtungslagern in Polen deportiert. Am 10. August 1942 ging ein solcher Transport von Drancy nach Auschwitz. Auf der Liste der damals Deportierten steht eine Frau namens Marie Bach, die mit der gebürtigen Augsburgerin identisch sein dürfte, obwohl Geburtsdatum und -ort auf der Liste nicht genau mit den Augsburger Dokumenten übereinstimmen.

 




Hanna Schramm, die von Juni 1940 bis November 1941 in Gurs interniert war, berichtet in ihren Erinnerungen von einer noch nicht vierzigjährigen Frau namens Lisbeth Bach, die im Winter 1940/41 in Block M erschienen sei und dann eine Zeitlang dort »die soziale Fürsorge« innegehabt habe. Zu früherer Zeit sei Lisbeth Bach Haushälterin beim Rabbi von Marseille gewesen, in Gurs habe sie einen Kontakt zwischen den Leiterinnen von Block M und dem Rabbi des Lagers, Leo
Ansbacher, hergestellt. »Niemals an sich selbst denken und eine fast fanatische Gerechtigkeitsliebe, das war Bach.« Hier liegt eine Verwechslung des Vornamens vor. Zwei erhaltene Briefe, die Marie Bach aus Gurs an ihre Schwester Johanna (»Hannah«) Bernheim schrieb, belegen, dass Marie im Mai 1941 in Block M einquartiert war und dass sie dem »Service social« angehörte. Gegenüber einer jüdischen Hilfsorganisation gab Hannah Bernheim für Marie im Mai 1941 eine vermittelnde Adresse in Marseille an. Es ist auch ein Foto erhalten, das Hanna Schramm und acht weitere Frauen in Gurs zeigt, darunter Anne-Lise Eisenstadt, die Hanna Schramm 1940/41 bei der Betreuung von Block M geholfen hatte. Anne-Lise Eisenstadt hat unter den abgebildeten Frauen auch die »Sozialarbeiterin« Marie Bach identifiziert.
Laut seinen Erinnerungen am 10. August 1942 – den Transportlisten zufolge aber erst am 12. – war auch ein Mann namens Rolf Weinstock unter den Juden, die am Bahnhof von Drancy in die Waggons steigen mussten. Rolf Weinstock hat die Deportation nach Auschwitz überlebt
und in seinen Erinnerungen über diesen Transport berichtet: »Viehwagen, ohne Stroh, und nur mit kleinen 20 cm hohen und 50 cm langen Luftlöchern, waren vorgefahren. Auf dem Zettel, wo sonst die Anzahl des zu befördernden Viehes vermerkt war, stand die Zahl 50. … Als alle Waggons belegt waren, erhielten wir für zwei Tage Lebensmittel und für fünfzig

 




Personen einen Eimer mit 20 Liter Wasser. Dann wurden die Waggons verschlossen und versiegelt. Wir waren eingesperrt.« Die Zugfahrt nach Auschwitz dauerte fünf Tage. Schon im Zug starben viele der Deportierten.
Marie Bach gilt als verschollen.
Maries Schwester Johanna (geb. 1895) heiratete Adolph Bernheim, der ein Mitinhaber der »Mechanischen Buntweberei Bernheim & Cie.« in Bronnweiler bei Reutlingen war. Das Ehepaar bekam zwei Kinder und zog mit ihnen 1930 nach Tübingen. 1937 reiste die Tochter Doris nach England aus, um dort ein Internat zu
besuchen. Nach der »Arisierung« der Firma emigrierten die anderen drei Familienmitglieder 1939 in die USA, nachdem sie im November 1938 noch einmal Johannas Vater Max Bach in Augsburg besucht und dabei den Brand der Synagoge miterlebt hatten. Auch Doris folgte ihrer Familie nach Amerika. Johanna Bernheim ist 1990 in Cincinnati gestorben.
Maries Bruder Fritz (geb. 1897) wurde nach der Pogromnacht am 10. November 1938 verhaftet, nach einigen Wochen Haft im KZ Dachau folgten Enteignung, »Arisierung« seines Textilgeschäftes, Verlust der Wohnung in München. 1939 emigrierte er in die USA, seine Frau Lotte und seine Tochter Hannelore (beide waren protestantisch und galten als »jüdisch versippt«) blieben unter schwierigen Bedingungen in Deutschland, Fritz Bach sah beide erst 1947 in New York wieder. 1995 ist Fritz in Southgate (Michigan) gestorben.
Maries Bruder Albert (geb. 1899) emigrierte mit seiner Frau Lisbeth, geb. Rothgießer, und beider Sohn nach Frankreich. Albert hielt sich während des Krieges in Marokko auf, seine Frau und sein Sohn in den Pyrenäen. 1951 wanderte die Familie nach Israel aus. Albert ist 1998 im Kibbuz Ruchama gestorben.
Zwei Onkel und zwei Tanten von Marie Bach wurden deportiert und ermordet.

 




Der Name von Marie Bach ist auf einer Glastafel der Schoa-Gedenkstätte aufgeführt, die im Augsburger Rathaus zu besichtigen ist (Künstler: Klaus Goth).

(Ein großer Teil dieser Informationen stammt aus Eleonore Philipps Buch Gerettet [1998] sowie aus brieflichen Mitteilungen der Autorin an die
Projektgruppe. Auch Maries Nichte Doris Doctor hat zu dieser Biografie beigetragen.)

N
B: Auf der Liste für die Deportation von Drancy nach Auschwitz steht bei Marie Bach als Geburtsdatum der 8. 2. 1902 (statt richtig der 8. 11.) und als ihr Geburtsort wird nicht Augsburg, sondern »Dugburg« angegeben (laut S. Klarsfeld; falsche Korrektur bei B. Vormeier: Duisburg). Die von Franzosen angefertigten Deportationslisten für deutsche Juden sind generell sehr fehlerhaft und zum Teil schwer zu entziffern.

Siehe Serge Klarsfeld, Le Mémorial de la déportation des Juifs de France, Paris 1978, Liste von Convoi Nr. 17 (mit dem Namen Marie Bachs).
Barbara Vormeier, Die Deportierungen deutscher und österreichischer Juden aus Frankreich (1942–1944), Paris 1980, S. 69 (der Name Marie Bachs auf derselben Deportationsliste).
Gabriele Mittag, »Es gibt Verdammte nur in Gurs«. Literatur, Kultur und Alltag in einem südfranzösischen Internierungslager. 1940–1942, Tübingen 1996, S. 39 (Foto aus Gurs mit der »Sozialarbeiterin« Marie Bach).
Andreas Heusler, Brigitte Schmidt, Eva Ohlen, Tobias Weger u. Simone Dicke, Biographisches Gedenkbuch der Münchner Juden 1933–1945, Bd. 1 (A–L), hrsg. vom Stadtarchiv München, München 2003, S. 73 unten (zu Max Bach).

 


Literatur:
Eleonore Philipp, Gerettet. Erinnerungen an zwei Familien im Nationalsozialismus. Familie Bach und Familie Gailer, Niederroth (Eigenverlag) 1998 (zur Familie von Fritz Bach).
Hanna Schramm, Menschen in Gurs. Erinnerungen an ein französisches Internierungslager (1940–1941). Mit einem dokumentarischen Beitrag zur französischen Emigrantenpolitik (1933–1944) von Barbara Vormeier, Worms 1977, bes. S. 100–104 (über Lisbeth Bach).
Barbara Vormeier, »Dokumentation zur französischen Emigrantenpolitik (1933–1944) – Ein Beitrag«, ebd., S. 155–384.
Rolf Weinstock, Das wahre Gesicht Hitler-Deutschlands. Häftling Nr. 59000 erzählt von dem Schicksal der 10000 Juden aus Baden, aus der Pfalz und aus dem Saargebiet in den Höllen von Dachau, Gurs-Drancy, Auschwitz, Jawischowitz, Buchenwald, Singen 1948.
Ulrike Baumgärtner, »Die Emigration der Familie Bernheim – Rekonstruktion einer Ausplünderung und Vertreibung« und »Die Familie Bernheim in den USA – Eine neue jüdisch-amerikanische Identität«, in: Geschichtswerkstatt Tübingen (Hrsg.), Zerstörte Hoffnungen. Wege der Tübinger Juden, Stuttgart 1995, S. 303–314 und 315–318
(zur Familie von Johanna Bernheim, geb. Bach).
Hanna Bernheim, »History of my life«. Der Rückblick einer deutschen Jüdin auf ihr Leben vor der Emigration 1939 / A German Jew’s retrospective of her life before her emigration in 1939, hrsg. und kommentiert von / edited and annotated by Benigna Schönhagen & Wilfried Setzler, Tübingen – Darmstadt 2014.
 




Zeitzeugen – Briefe und Erinnerungen:
Die Erinnerungen von Johanna Bernheim, geb. Bach, enthalten einen Passus über ihre Schwester Marie.
zum Text

Zwei Briefe von Marie Bach aus dem Lager Gurs sind erhalten.
zum Text (deutsch)

zum Text (französisch)

   
  Johanna Bär
geb. 1897 in Augsburg, Vater Viehhändler

Johannas
Eltern waren Max Bär (geb. 1864 od. 1865) und Sophie, geb. Maier (geb. 1866 od. 1867).
Johanna besuchte die »Städtische Töchterschule«, die später »Maria-Theresia-Schule« genannt wurde, von 1908 bis 1911 in den Klassen 1–3.
1919 bekam Johanna einen Sohn, der zur Adoption freigegeben wurde.
Johannas Eltern starben beide 1932 in Augsburg.
Johanna arbeitete als Kontoristin. Ihre letzte Adresse war Augsburg, Maximilianstraße 12. Johanna wurde am 20. November 1941 von München aus nach dem litauischen Kowno (Kaunas) deportiert, so wie auch die ehemaligen Maria-Theresia-Schülerinnen Rosa Deller, Stella Politzer und Dina Strauss. Fünf Tage später wurden die verschleppten Frauen, Männer und Kinder in Kowno erschossen.
»Für München lag die Federführung dieser Aktion bei der Stapoleitstelle im Wittelsbacher Palais an der Brienner Straße. ... Bei der Ankunft … wurden die für die Deportation vorgesehenen Personen sofort einer Leibesvisitation unterzogen. Den Betroffenen war die Mitnahme von 50 kg Gepäck gestattet worden; für die ›Reisekosten‹ waren … 50 Reichsmark zu entrichten. … Zahlreiche Gegenstände wurden beschlagnahmt. Gleichwohl bemühte sich die Gestapo, den Menschen eine ›Normalität‹ vorzugaukeln, es wurde versucht, die tödliche Bestimmung des Transports zu verschleiern und den Eindruck zu erwecken, es handle sich tatsächlich um eine ›Evakuierung‹ nach Osten, eine Verschickung zum Arbeitseinsatz an einem bislang noch unbekannten Ort. In den frühen Morgenstunden des 20. November 1941 erfolgte schließlich … der etwa fünfzehnminütige Fußmarsch vom Lager an der Knorrstraße zum Bahnhof Milbertshofen. ... Noch unmittelbar vor der Abfahrt des Zuges erhielt der leitende
 




Beamte ... die Mitteilung, dass der Transport nicht wie vorgesehen nach Riga, sondern nach Kaunas in Litauen geleitet werde. ... Nach Aussage der begleitenden Wachmannschaft verlief der Transport nach Kaunas ›ruhig‹. Lediglich die unzureichende Wasserversorgung sorgte für Unruhe. … Die Zugfahrt dauerte drei Tage; die genaue Streckenführung ist nicht mehr zu rekonstruieren. An einem Samstagabend erreichte der Zug Kaunas. Die Münchner Juden wurden zu Fuß in das etwa sechs Kilometer nordwestlich vor der Stadt gelegene Fort IX geführt. … Am 25. November 1941 – nachdem man sie also noch zwei Tage in den verrotteten Verliesen des Forts festgehalten hatte – wurden die aus München deportierten Menschen gemeinsam mit anderen Juden … erschossen. Die Leichen der Ermordeten wurden in bereits ausgehobenen Gräben verscharrt. Bis zuletzt hatte man die Menschen über das ihnen vorherbestimmte Schicksal im Ungewissen gehalten« (A. Heusler).
Der Name von Johanna Bär ist auf einer Glastafel der Schoa-Gedenkstätte aufgeführt, die im Augsburger Rathaus zu besichtigen ist (Künstler: Klaus Goth).

Literatur:
Andreas Heusler, »Fahrt in den Tod. Der Mord an den Münchner Juden in Kaunas (Litauen) am 25. November 1941«, in: Stadtarchiv München (Hrsg.),
»… verzogen, unbekannt wohin.« Die erste Deportation von Münchner Juden im November 1941, Zürich – München 2000, S. 13–24.

     
 
Charlotte Bein
geb. 1887 in Augsburg, Vater Privatier

Charlottes
Vater hieß Seligmann (auch: Sigmund) Bein (geb. 1854), ihre Mutter Rosa, geb. Sondhelm (1857–1922). Charlotte war das jüngste von vier Kindern, ihre Geschwister hießen Babette (geb. 1880), Therese (geb. 1881) und Max (1884–1961). Als Kaufmann war Seligmann Bein Inhaber eines Käsegeschäfts gewesen. Er starb 1900.
Charlotte besuchte die »Städtische Töchterschule«, die später »Maria-Theresia-Schule« genannt wurde, von 1898 bis 1901 in den Klassen 1–3. Die vierte Klasse (Abschlussklasse) besuchte sie nicht mehr. Nach dem Tod des Vaters zog die Familie 1900/01 von Augsburg nach Nürnberg; Charlotte meldete sich am 30. Januar 1901 von Augsburg ab.
In Nürnberg heiratete Charlotte Bernhard Falk (geb. 1884). Das Ehepaar bekam einen Sohn. Die Familie lebte zunächst in Nürnberg, dann in Stuttgart und emigrierte in den 1930er Jahren in die USA nach Pittsburgh (Pennsylvania).
Charlottes Schwester Babette heiratete 1903 den Kaufmann Jakob Schmitt aus Mannheim (1868–1927). Das Ehepaar bekam zwei Söhne. Die Familie lebte in Bamberg und emigrierte später nach Palästina.
Therese heiratete ebenfalls und bekam einen Sohn und eine Tochter. Die Familie lebte in Augsburg in Thereses Geburtshaus und emigrierte zunächst in die Niederlande, dann nach Großbritannien.
Charlottes Bruder Max war vor dem ersten Weltkrieg Teilhaber der Nürnberger Fabrik »Doll & Cie.« geworden, die Spielzeug-Dampfmaschinen und -Eisenbahnen herstellte. Ende 1938 musste Max seinen Anteil an der Fabrik verkaufen. Seine Schwester Charlotte und ihr Sohn Martin bewerkstelligten nach langer Mühe die
 


Genehmigung für ihre Verwandten, in die USA einzureisen. 1939 konnten Max und seine Ehefrau Erna um die Zeit des Kriegsbeginns gerade noch in die Niederlande fliehen, 1940 dann weiter in die USA. Die beiden Töchter von Max und Erna waren schon im Frühjahr 1939 mit einem Kindertransport nach England entkommen, 1940 emigrierten sie ebenfalls in die USA.
Charlottes Ehemann Bernhard Falk starb 1958. Die verwitwete Charlotte (»Lotte«)  zog nach St. Petersburg (Florida). Dort ist sie 1979 gestorben.

(Diese Kurzbiografie wurde von Irene Reti, einer Enkelin von Charlottes Bruder Max, und von Elizabeth R. Miller, einer Nichte von Charlotte, ergänzt. Irene Reti ist Historikerin auf dem Gebiet der »oral history« und Begründerin des feministischen Verlags »HerBooks« in Santa Cruz, Kalifornien.) 

Literatur:
Irene Reti, The Keeper of Memory: A Memoir, Santa Cruz 2001.
     
  Klara Berberich
geb. 1886 in Augsburg, Vater Kaufmann, Prinzregentenstraße 9 / III

Klaras
Vater hieß Isaak Berberich (geb. 1856); ihre Mutter Betty, geb. Gerstle (1857–1935), war eine Schwester von Hermann Gerstle, dem Vater von Anna Gerstle und Großvater von Käthe und Margot Hirsch.
Klara besuchte die »Städtische Töchterschule«, die später »Maria-Theresia-Schule« genannt wurde, von 1898 bis 1902 in den Klassen 1–4; die vierte Klasse war damals die Abschlussklasse.
Klara heiratete 1911 den Kaufmann Martin Cramer (geb. 1880 in Speyer). Martin arbeitete ab 1918 als Büroleiter in einer Auskunftei, später im Zigarrenhandel. Er spielte eine herausragende Rolle im Augsburger Kulturleben; so gründete er etwa zusammen mit Bert Brecht die »Literarische Gesellschaft«. Klara und Martin bekamen drei Kinder: Ernst (geb. 1913), Helene (geb. 1916) und Erwin (geb. 1921).
Klaras Bruder Hugo Berberich (geb. 1887) war Arzt in Augsburg. Ab dem 30. September 1938 durfte er laut Gesetz keine »Arier« mehr behandeln. Er verkaufte seine Klinik für einen Spottpreis und emigrierte mit seiner Frau Eva Maria (»Miez«), die Christin war, und mit seinem Sohn nach nach Kuba, 1943 weiter nach New York..
Zwei von Klaras Kindern konnten ebenfalls in die USA fliehen. Helene ist dort 1967 gestorben. Ernst heiratete Marianne Untermayer und zog mit ihr nach dem Krieg wieder nach Deutschland.
Anfang April 1942 wurde Klara im Alter von 55 Jahren nach Piaski in Polen deportiert, zusammen mit ihrem Ehemann Martin und ihrem Sohn Erwin; alle drei gelten als verschollen.
Zwei Monate lang, von April bis Juni 1942, lebte auch der Ingenieur Arnold Hindls aus Brno (Brünn) in Piaski – für ihn war dies nur eine Verschleppungsstation von vielen, zwischen Theresienstadt und Ossowo. Über Piaski schreibt er in seinen Erinnerungen (Einer kehrte zurück, 1965): »Piaski, ein kleines Städtchen in der
 




Lubliner Woiwodschaft, ringsum von Sand und Sümpfen und Wald umgeben, ist durch die Staatsstraße Lublin–Cholm (= Chelm) in zwei Teile geteilt, weshalb sich das ehemals große, von etwa dreitausend einheimischen Juden bewohnte Getto zu beiden Seiten der Staatsstraße ausbreitete. Nur waren die beiden Gettoteile jetzt, jeder für sich, mit hohen Bretterzäunen und Stacheldraht eingefriedet, mit großen, ständig bewachten Toren, die nur vormittags und nachmittags je eine Stunde am Tage geöffnet wurden und zur Staatsstraße hin abgeschlossen waren. … Die Häuser des Gettos waren zumeist aus Holz, mit nur kleinen Höfen, ineinandergeschachtelt, vorwiegend ebenerdig, manche einstöckig. … Im Städtchen gab es weder Wasserleitung noch Kanalisierung. Für die rund sechstausend Menschen zählende Belegschaft der beiden Gettoteile … gab es nur einen einzigen Brunnen mit annehmbarem Trinkwasser im südlichen Getto, von dem pro Person und pro Tag nur ein Kübel von zehn Liter Inhalt geholt werden durfte. …
Am Rande des südlich gelegenen Gettos, an der Staatsstraße, war in einem geräumigen, solid gebauten Gebäude das Kommando der SS untergebracht, dem das Getto unterstellt war. Von dem Balkon des Gebäudes konnte die SS beide Gettoteile sehr gut beobachten. Bei jedem Besuch dieser ›Herrenmenschen‹ gab es reichlich Ohrfeigen, Fußtritte und Peitschenhiebe, und ›nicht erlaubte‹ Lebensmittel, die ins Getto geschmuggelt worden waren, wurden beschlagnahmt. … An Hunger starben hier täglich zwanzig bis dreißig Menschen, die zu vollkommenen Skeletten abgemagert waren. … Trotz dieser katastrophalen Verpflegungsverhältnisse wurden alle arbeitsfähigen Männer und Frauen täglich gruppenweise zu Erd-, Garten- und Straßenunterhaltungsarbeiten herangezogen … Auch im Getto selbst gab es genug Arbeit, wie die Reinigung und Vertiefung der

 




Abflussgräben und Rigolen, die Errichtung von Latrinen und immer wieder Latrinen, die nie ausreichten.«
Im Herbst 1942 wurden einige Juden von Piaski nach Belzec, die übrigen, etwa 4000, nach Sobibor gebracht und dort ermordet. Sofort wurde das »Ghetto« durch Deportationen erneut belegt.
Bis zum Sommer 1942 kamen ein paar Briefe der nach Piaski deportierten Juden in Augsburg an. Klaras Sohn Ernst berichtet, dass das Gerücht ging, seine Mutter und einige andere seien während des Transports »zur Warnung« erschossen worden (Brief an Rabbiner Ernst Jacob vom 11. Mai 1945).
Der Name von Klara (hier: Clara) Cramer ist auf einer Glastafel der Schoa-Gedenkstätte aufgeführt, die im Augsburger Rathaus zu besichtigen ist (Künstler: Klaus Goth).

Literatur:
Irmgard Hirsch-Erlund, Irmgard. Eine jüdische Kindheit in Bayern und eine Vertreibung, hrsg. von Gernot Römer, Augsburg 1999, S. 32–36.
Ernst Cramer, Brief vom 11. Mai 1945, abgedruckt bei Ernst Jacob, Rundschreiben Nr. 10, August 1945, in: Gernot Römer (Hrsg.), »An meine Gemeinde in der Zerstreuung«. Die Rundbriefe des Augsburger Rabbiners Ernst Jacob 1941–1949, Augsburg 2007, S. 101–115, hier S. 105–108.
Ernst Cramer, Erfahrungen, Einsichten, Zeugnisse. Beiträge zur deutsch-jüdischen Aussöhnung, Berlin 1992 (Privatdruck Axel Springer Verlag), bes. S. 34–37.
Arnold Hindls, Einer kehrte zurück. Bericht eines Deportierten, Stuttgart 1965, S. 12–32.

   
 
  Gertrud Bernheimer
geb. 1920 in Augsburg (in den Schul-Jahresberichten ist kein Geburtsort angegeben), Vater Tiefbauunternehmer

Gertruds
Eltern waren Alfred Bernheimer (geb. 1877 in Ichenhausen) und Fanny, geb. Gerngroß (geb. 1889 in Nürnberg).
Gertrud besuchte die Maria-Theresia-Schule von 1930 bis 1934 in den Klassen 1–5. Mit 14 Jahren ging sie am 4. September 1934 während des Schuljahres ohne Abschluss von der Schule ab und emigrierte mit ihren Eltern in die USA. Im Jahr zuvor war schon ihr Bruder Hermann (geb. 1917) in die USA gegangen, 1935 folgte ihr zweiter Bruder Max (geb. 1912).
Gertrud heiratete 1946 Bert Rabb. Sie bekam zwei Kinder und hat zahlreiche Enkel.
Gertruds Vater Alfred starb 1947 in New York, ihre Mutter Fanny 1981 im Staat New York.
Gertruds Ehemann Bert starb 1985.
Bis heute (April 2007) lebt Trudy Rabb in den USA.

(Trudy Rabb hat diese biografischen Angaben selbst vervollständigt.)
   
 
  Margarethe Binswanger
geb. 1902 in Charlottenburg, Vater praktischer Arzt in Augsburg

Margarethes
Eltern waren Dr. Hermann Binswanger (1868–1935) und Karolina, geb. Rosenbusch.
Margarethe besuchte die Maria-Theresia-Schule von 1913 bis 1920 oder 1921, zunächst in den Klassen 1–6 der »Höheren Mädchenschule«, zum Schluss noch für ein oder zwei Jahre in der »Frauenschule«.
1922 heiratete Margarethe den Kaufmann Albert Raff (geb. 1896). Im selben Jahr starb ihre Mutter.
1932 wurde die Ehe von Margarethe und Albert Raff geschieden. Margarethe heiratete in zweiter Ehe den Rechtsanwalt Siegfried Adler (geb. 1897 in Haßfurt). 1936 wanderte das Ehepaar in die USA aus. Siegfried war dort im Bankfach tätig; er starb 1956 in San Francisco.
Margarethe Adler, geb. Binswanger, ist 1988 ebenfalls in San Francisco gestorben.

Literatur:
Reinhard Weber, Das Schicksal der jüdischen Rechtsanwälte in Bayern nach 1933, München 2006, S. 220 (zu Siegfried Adler).
 
 
 
Reta Birk
geb. 1912 in Sterbfritz, Vater Kaufmann in Augsburg

Retas Vater war Jakob Birk (geb. 1881 in Sterbfritz), er handelte mit Weißwaren und Immobilien. Retas Mutter hieß Ida, geb. Reiter (geb. 1883 in Buttenwiesen). Reta hatte einen jüngeren Bruder namens Siegfried (geb. 1913).
Reta besuchte die Maria-Theresia-Schule von 1924 bis 1927 in den Klassen 1–3.
1936 hat sie sich nach Karlsruhe abgemeldet.
Retas Vater ging 1937 nach Palästina, später in die USA; ihre Mutter emigrierte 1937 in die USA. Die ganze Familie wurde 1938 ausgebürgert.
Reta war mit Leon (oder Leo) Manasse verheiratet (geb. 1902). Das Ehepaar lebte wie Retas Eltern in New York. 1945 bekam Reta eine Tochter.
Ende 1946 inserierte Reta in der Emigrantenzeitschrift Aufbau als Inhaberin eines Schönheitssalons und bot Dauerwellen und Haarfärben an.
Retas Mutter Ida starb 1947 in New York. Zu dieser Zeit lebte Retas Bruder Siegfried in Frankreich.
Leon Manasse starb 1982 in New York.
Eine Frau namens Reta Manasse starb 2001 in Maryland, für sie wird aber der 7. Juni als Geburtsdatum angegeben, für die Augsburger Schülerin der 3. Juni.


Siehe die Todesanzeige für Ida Birk, in: Aufbau 13 (1947), Nr. 39 vom 26. September, S. 13.
Anzeige von Reta Manasses »Heights Beauty Salon« in Aufbau 12 (1946), Nr. 47 vom 22. November und Nr. 49 vom 6. Dezember, jeweils S. 37.
 
 
 
Sophie Bissinger
geb. 1901 in Neuulm, Vater Viehhändler

Als Sophie 1912/13 für ein Jahr die »Städtische Höhere Mädchenschule« (die später den »Maria-Theresia-Schule« bekommen sollte) in Klasse 1 besuchte, war ihr Vater schon gestorben. Die Familie wohnte in Kriegshaber bei Augsburg (ab 1916 ein Stadtteil von Augsburg).
 
 
 
  Margarete Bloch
geb. 1921 in Augsburg (in den Schul-Jahresberichten ist kein Geburtsort angegeben), Vater Kaufmann (»Bach & Bloch«), Wohnung Frölichstraße 14

Margaretes Vater Helmuth Bloch (geb. 1893 in Mülhausen) war einer der Inhaber der Textilgroßhandlung »Bach
& Bloch«. Diese war als Spinnerei und Weberei in Mülhausen (Mulhouse) im Elsass gegründet, nach dem Ersten Weltkrieg aber von den Söhnen der Gründer in Augsburg neu eröffnet worden. Die anderen Teilhaber waren Edmund und Ralph Bach.
Schon Margaretes Mutter Gertrud, geb. Nathan (geb. 1898 in Augsburg), hatte die Maria-Theresia-Schule besucht. Margarete hatte eine kleine Schwester, Gabriele (geb. 1930).
Margarete besuchte die Maria-Theresia-Schule von 1931 bis 1936 in den Klassen 1–3 und G4–G6. Mit 15 Jahren ging sie am 9. Dezember 1936 während des Schuljahres ohne Abschluss von der Schule ab, um mit ihren Eltern in die USA zu emigrieren. Dort heiratete sie Wilbert Stein und lebte mit ihm in Kalifornien. Das Ehepaar bekam zwei Söhne. Die Ehe wurde später geschieden.
Margot Stein, geb. Margarete Bloch, ist 2002 in San Francisco gestorben.
 
 
 
Selma Brill
geb. 1893 in Kriegshaber (bei Augsburg), Vater Güterhändler in München

Selma
war »illegitimes« Kind von Bertha Bornheim, geb. Brill (1852–1929). Ihre Mutter lebte in Steppach (bei Augsburg), bis sie den Amerikaner Moses Bornheim heiratete. Die Ehe wurde geschieden.
Selma besuchte die »Städtische Mädchenschule«, die später »Maria-Theresia-Schule« heißen sollte, von 1905 bis 1908 in den Klassen 1–3.
Nach der Schulzeit arbeitete Selma als Kontoristin in der Hosenträgerfabrik »Bernhard Bär«, später (bis 1927) als Aushilfskraft im Arbeitsamt.
Eine Frau namens Selma Brill starb 1965 im Staat New York; für sie wird aber der 2. Februar als Geburtsdatum angegeben, für die Augsburger Schülerin der 7. Februar.

NB
: Selma wurde offiziell als Sarah Brill geführt (Stadtarchiv Augsburg).
 
 
 
Hermine Brummer
geb. 1917 in Augsburg (in den Schul-Jahresberichten ist kein Geburtsort angegeben), Vater Kaufmann

Hermine besuchte die Maria-Theresia-Schule von 1927 bis 1933 in den Klassen
1–6.
Hermine
emigrierte spätestens 1945 in die USA. Sie heiratete den Staff Sergeant Julius Kaufmann (anglisiert: Kaufman) aus Hilbringen-Merzig; das Ehepaar bekam drei Kinder.
Hermine Kaufman, geb. Brummer, ist 1977 in Richmond (Virginia) gestorben.