Schulchronik : Das Schuljahr 1941/42
(Oberschule: September 1941 bis Juli 1942 Mittelschule: April 1941 bis Ostern 1942)
 
   
 
 
    Bek. d. Staatsm. f. Unt. u. Kult. v. 14.8.1941 Nr. VIII 39697 über die Entfernung konfessioneller Bilder und der Kruzifixe aus den Schulräumen       Freiheitsbeschränkungen für Juden   Hugo Veith, soeben in die USA emigriert, berichtete im Juni 1941 über die Lage der Augsburger Juden       Polizeipräsident, 1941   Bek. d. Staatsm. f. Unt. u. Kult. v. 3.10.1941 Nr. XI 44801 über Jüd. Mischlinge in Schülerheimen   Bek. d. Staatsm. f. Unt. u. Kult. v. 29.10.41
Nr. I 54222 über Russisches und antibolschewistisches Schrifttum
      Kowno und Riga   Bek. d. Staatsm. f. Unt. u. Kult. v. 12.11.1941 Nr. VIII 58080 über Schulgebet   20.1.1942 Wannsee-Konferenz über die Deportation und Ermordung der europäischen Juden   Lehrerratssitzung am 27.2.1942 (Protokoll)   Freiheitsbeschränkungen für Juden      
                                                             

Ab dem Schuljahr 1941/42 bis einschließlich
1948/49 konnten aus Geld- und Papiermangel
keine Jahresberichte mehr gedruckt werden.

  »Verschiedene Vorfälle, die sich bei der Durchführung meiner Entschließung vom 23.4.1941 Nr. VIII 20891 an einigen Orten zugetragen haben, geben mir Veranlassung unter teilweiser Abänderung der vorgenannten Entschließung für sämtliche Schulen verbindlich anzuordnen, dass Kruzifixe und konfessionelle Bilder bis zum Wiederbeginn des Unterrichts nach den Sommerferien 1941 aus den Schulräumen entfernt sein müssen. Ich ersuche, die Entfernung, soweit noch nicht geschehen, in entsprechender Weise zu veranlassen.«  
Lore Kraus (Liora Seewi), Schülerin am Institut der Englischen Fräulein in der Frauentorstraße in Augsburg, erinnert sich:

»In den Klassenzimmern sollten die Kreuze entfernt und durch Hitlerbilder ersetzt werden. Viele Eltern protestierten, und man kam zu dem Kompromiss, an der Wand die Kreuze zu belassen und die Hitlerbilder zuzufügen.«
(G. Römer, Jüdisch versippt)
  Die Benützung von öffentlichen Telefonzellen verboten.

Das Tragen eines handtellergroßen Sterns aus gelbem Stoff mit der Aufschrift »Jude«, sichtbar auf der linken Brustseite der Kleidung, wird Pflicht.

Verlassen der Wohngemeinde nur mit polizeilicher Erlaubnis.

Auswanderung in andere Länder wird erzwungen (»… Judenfrage in Form der Auswanderung oder Evakuierung einer den Zeitverhältnissen entsprechend möglichst günstigen Lösung zuzuführen …«, Göring, 31.7.1941)
  »Benno Arnold und [Ludwig] Friedmann sind noch da und walten in vorbildlicher Weise ihres Amtes. Joseph Hermann hat die Kleiderkammer unter sich, die segensbringend notwendig war, da ja die Juden keine Kleiderkarten haben. … Martin Cramer ist auch im Amte geblieben, denn sein Posten ist heute wohl der schwerste. Er hat die Wohnungen unter sich. Täglich kommen Kündigungen. Der Mieterschutz gilt für Juden nicht, wenn irgendein Parteigrund vorgebracht wird. Die Folge ist, dass Juden zusammengelegt werden. … Die große Synagoge ist noch in dem trostlosen Zustand, in dem einige von uns sie sahen.«
(G. Römer, Die Austreibung der Juden aus Schwaben)
  Drei Töchter des Großkaufmanns Hugo Veith hatten die Maria-Theresia-Schule besucht: Elisabeth, Margot und Marianne Veith. Schon 1935–38 waren sie nach Palästina ausgewandert.
Benno Arnold, der Vorstand der jüdischen Gemeinde, starb 1944 in Theresienstadt.
Ludwig Friedmann, zweiter Vorstand, nahm sich zusammen mit seiner Frau 1943 das Leben, um der Deportation zuvorzukommen; beider Tochter, die ehemalige MT-Schülerin Anna Friedmann, war nach England emigriert.
Martin Cramer ist zusammen mit seiner Frau, der ehemaligen MT-Schülerin Klara Berberich, 1942 in Piaski verschollen; beider Tochter Helene Cramer, die ebenfalls das MT besucht hatte, war in die USA ausgewandert.
  »Die Beschwerden, dass auf dem Wochenmarkt immer noch Juden einkaufen, laufen beim städt. Marktamt immer noch ein.«
(G. Römer, Der Leidensweg)
  »Es ist davon Abstand zu nehmen, dass jüdische Mischlinge in Schüler- bezw. Schülerinnenheimen aufgenommen werden. Sollten sich im dortigen Heim noch solche befinden, so haben sie bis spätestens zum Ende des 1. Schuljahrdrittels das Heim zu verlassen.«   »Das Reichspropagandaministerium hat mir mitgeteilt, dass die Ausleihe von Schriften russischer Autoren einschl. der klassischen russischen Autoren bis auf weiteres zu unterbleiben hat. Die Schriften sind von den Schulleitern sicherzustellen.«  
Deportationen von ehemaligen MT-Schülerinnen

November 1941 nach Kowno:
Johanna Bär (geb. 1897)
Rosa Deller (geb. 1899)
Stella Politzer (geb. 1907)
Dina Strauss (geb. 1900)

Dezember 1941 nach Riga:
Selma Cohen (geb. 1903)
Sidonie Münzer (geb. 1913)

  Die ersten Deportationen deutscher Juden nach Litauen fanden im Spätherbst 1941 statt. Im Transport, der München am 20. November verließ, befanden sich auch zahlreiche Augsburger und Augsburgerinnen. Der Zug sollte ursprünglich nach Riga fahren, wegen Überfüllung der dortigen Lager wurde aber kurzfristig Kowno als Ziel festgesetzt. Die Männer, Frauen und Kinder wurden in ein Fort gebracht und dort erschossen. Andere Transporte teilten dieses Schicksal. In Kowno erinnern heute eine Gedenkstätte und ein Museum an diese Verbrechen.
(nach G. Römer, Mutti war Jüdin)
  »Soweit die Frage der Schulgebete sich nicht in der Zwischenzeit von selbst geklärt hat, werden nachfolgend einige Vorschläge bekannt gegeben:

1. Herrgott
Erhalte uns den Führer und schütze seine Soldaten,
Segne unsere siegreichen Waffen und die Arbeit der Heimat!
Wir aber geloben
Wir wollen leben immerdar im Geiste Adolf Hitlers Tapfer und treu, froh, gehorsam und stolz,
So lange wir leben nur ein Ziel im Auge:
Das Ewige Deutschland.
  15 Vertreter der Ministerialbürokratie und der SS hielten im Protokoll unter anderem fest:
»Anstelle der Auswanderung der Juden ist nunmehr als weitere
Lösungsmöglichkeit nach entsprechender vorheriger Genehmigung durch den Führer die Evakuierung der Juden nach dem Osten getreten ... In großen Arbeitskolonnen, unter Trennung der Geschlechter, werden die arbeitsfähigen Juden straßenbauend in diese Gebiete geführt, wobei zweifellos ein Großteil durch natürliche Verminderung ausfallen wird. Der allfällig endlich verbleibende Restbestand wird, da es sich bei diesem zweifellos um den ...
  »Nach Mitteilung des Stadtschulrats sind in der Volksschule ganze Mädchenklassen verlaust. Dies erklärt sich nicht nur durch den Krieg mit Einsatz der Eltern usw., sondern ist auch durch die Dauerwellenfrisur verursacht, da wochenlang kein Kamm die Haare berührt und diese durch Verfilzung einen guten Boden für das Ungeziefer darbieten.«   Juden dürfen keine Zeitungen und Zeitschriften mehr beziehen. (17.2.1942)

Der Judenstern muss auch an
den Türen von Wohnungen, in denen Juden leben, angebracht werden. (März 1942)