Biografien   Lotte Dann
Lotte Dann
geb. 1912 in Augsburg, Vater Großkaufmann, Hochfeldstraße 15 1/6
 
Lotte stammt
aus einer alten, sehr angesehenen jüdischen Familie. Ihr Vater Albert Dann (geb. 1868) war »Kommerzienrat« und Wohltäter der Stadt Augsburg, er besaß eine Firma für Kurz- und Manufakturwaren, die er von seinem Schwager nach dessen Tod übernommen hatte. Er selbst stammte aus Frankfurt a. M., seine Frau Fanny, geb. Kitzinger (geb. 1876), aus Fürth. Das Paar heiratete 1899 und hatte fünf Töchter: Sophie, Thea, Elisabeth, Gertrud und Lotte. Zwei von ihnen, Elisabeth und Lotte, besuchten die Maria-Theresia-Schule. Thea (geb. 1901) starb schon 1918 und ist auf dem jüdischen Friedhof Augsburg, Haunstetter Straße, begraben. Die vier anderen konnten in den 1930er Jahren Deutschland verlassen. Auch die Eltern, Albert und Fanny Dann, emigrierten 1939 nach Palästina. Sophie ist 1993, Gertrud 1998 gestorben, beide in England. Auch die Eltern Dann zogen 1950 aus Israel nach England, wo Albert 1960, Fanny 1969 starb.
Lotte, die jüngste der Dann-Schwestern, besuchte nach der Volksschule zunächst, wie die vier anderen auch, das A. B. von Stettensche Institut, eine private Mädchenschule. Weil das »Stetten« aber damals nur eine Mittelschule anbot und Lotte studieren wollte, wechselte sie 1926, so wie zuvor schon ihre Schwester Elisabeth, an den Gymnasialzweig der Maria-Theresia-Schule.
Am 25. Mai 1928 feierte Lotte in Augsburg gemeinsam mit drei anderen jüdischen Mädchen ihre »Konfirmation« (Batmitzwah: Fest der religiösen Mündigkeit für jüdische Mädchen, kann individuell am Sabbat nach dem 12. Geburtstag des Mädchens begangen werden, wurde in Augsburg aber, ähnlich wie die protestantische Konfirmation, jährlich oder in noch größeren Abständen für mehrere Jahrgänge gemeinsam abgehalten).
1932 absolvierte Lotte das Abitur und begann in München Medizin zu studieren.
1933, nachdem die Nationalsozialisten an die Macht gekommen waren, ging Lotte zusammen mit Elisabeths Freundin Erna Weil nach Turin. Dort legte sie 1935 das Anatomie-Examen ab, arbeitete weiter am Institut und promovierte schließlich 1938. Um antisemitischen Schikanen zu entgehen, zog sie 1939 nach England, zunächst zur verwitweten Tante ihrer Mutter, Minna Dunkels (anglisiert aus Dünkelsbühler), in London, dann fand sie Arbeit an einem wissenschaftlichen Institut in Cambridge. In der zweiten Jahreshälfte 1940 wohnte sie vorübergehend in London bei ihrer ebenfalls emigrierten Freundin Anneli Lerchenthal, verheirateter Bunyard, dann wieder in Cambridge. 1944 heiratete Lotte in London den exilierten Politiker und Historiker Paolo Treves (geb. 1908).
1945 zog das Paar nach Italien, 1952 wurde ihr Sohn Claudio geboren. 1958 starb Paolo Treves. Lotte arbeitete als wissenschaftliche Übersetzerin und unternahm viele Reisen, etwa nach Israel und in die USA, auch nach Deutschland.
1985 trafen sich die vier Dann-Schwestern in Augsburg anlässlich der Neueinweihung der Synagoge in der Halderstraße.
Lottes Erinnerungen, beendet 1997, sind zusammen mit denen ihrer Schwestern 1998 von Gernot Römer herausgegeben worden.
2003 nahm Lotte Treves an mehreren Veranstaltungen des Jüdischen Kulturmuseums Augsburg teil (»Lebenslinien. Deutsch-jüdische Familienschicksale«) und unser Arbeitskreis konnte mit ihr ein Zeitzeugengespräch führen.
Lotte Treves, geb. Dann, lebt bis heute (Oktober 2008) in Italien.

Literatur:
Lotte Treves, »Mit tiefer Dankbarkeit blicke ich zurück«, in: Gernot Römer (Hrsg.), Vier
Schwestern. Die Lebenserinnerungen von Elisabeth, Lotte, Sophie und Gertrud Dann aus Augsburg, Augsburg 1998, S. 135–228.
Maria Khavyna, Marina Bylinsky, und Richard Greiner, Brigitte Wölfel, »Gespräche mit Frau Dr. Lotte Treves, geb. Dann«, in: Peter Wolf (Hrsg.), Spuren. Die jüdischen Schülerinnen und die Zeit des Nationalsozialismus an der Maria-Theresia-Schule Augsburg. Ein Bericht der Projektgruppe »Spurensuche« des Maria-Theresia-Gymnasiums, Augsburg 2005, S. 42f. und 44–50; auch auf dieser Website (s.u.).
Peter Fassl, »200 Jahre Stetten-Institut«, in: A.B.v. Stettensches Institut, A.B.v. Stettensche Stiftungen (Hrsg.), 200 Jahre Stetten Institut, Augsburg 2005, S. 130–166.

Zeitzeugen-Gespräche
:
Gespräch am 10. November 2003 im Zeughaus Augsburg, anlässlich der vom Jüdischen Kulturmuseum Augsburg vorbereiteten Veranstaltung »Lebenslinien. Deutsch-jüdische Familienschicksale«, aufgezeichnet von Maria Khavyna und Marina Bylinsky.
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Gespräch am 26. Oktober 2004 in Rom, aufgezeichnet von Richard Greiner und Brigitte Wölfel.
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