Elisabeth Oberdorfer
geb. 1910 in Augsburg, Vater Fabrikbesitzer
(Schirmfabrikant), Wohnung Schaezlerstraße 15 / III, Geschäft
Maximilianstraße 19
Elisabeths Vater Eugen Oberdorfer (geb. 1875 in Augsburg) betrieb
eine Schirmfabrik. Im Ersten Weltkrieg wurde er Landsturmjäger.
Seine Ehefrau hieß Emma Karolina, geb. Binswanger (geb. 1884
in Augsburg). So wie Elisabeth besuchte auch ihre Schwester
Marianne die Maria-Theresia-Schule.
Elisabeth besuchte die Maria-Theresia-Schule von 1924 bis 1926
in den Klassen 5a und 6a; vermutlich war sie 1920 in Klasse
1 eingetreten.
Im Mai 1925 feierte Elisabeth zusammen mit neun anderen
jüdischen Mädchen ihre »Konfirmation« in Augsburg (Batmizwah:
Fest der religiösen Mündigkeit für jüdische Mädchen, kann individuell
am Sabbat nach dem 12. Geburtstag des Mädchens begangen werden,
wurde in Augsburg aber, ähnlich wie die protestantische Konfirmation,
jährlich oder in noch größeren Abständen für mehrere Jahrgänge
gemeinsam abgehalten).
Elisabeth fuhr 1934 nach Rom, da sie Italienisch lernen wollte
und die Zugfahrkarten im Heiligen Jahr ermäßigt waren. Sie arbeitete
als Au-pair-Mädchen und in einer Antiquariatsbuchhandlung. 1938
heiratete sie in Rom Friedrich G. Friedmann (geb. 1912 in Augsburg).
Dessen Vater war Teilhaber der Wäschefabrik »Friedmann & Dannenbaum«
in Augsburg. Friedrich (»Fritz«) hatte bis 1931 das Gymnasium
St. Stephan besucht, war 1933 von der Gestapo in Augsburg festgenommen
worden und kurz darauf nach Rom geflohen. Er arbeitete dort
als Lateinlehrer im Vatikan und studierte Philosophie an der
Universität.
1939 flüchteten die Friedmanns von Italien nach England. In
London wurde 1940 ihr Sohn John Friedman geboren. Von hier aus
emigrierten sie unter dramatischen Umständen in einem Schiffskonvoi
weiter in die USA (bis auf ihr Schiff wurden alle anderen vor
Kanada von deutschen U-Booten torpediert).
Eugen und Emma Karolina Oberdorfer, Elisabeths Eltern, mussten
im Mai 1942 in die Hallstraße 14 ziehen, wo die Nationalsozialisten
ein sogenanntes »Judenhaus« einrichteten. Beide leisteten von
Sommer 1942 bis Anfang März 1943 Zwangsarbeit in der Augsburger
Ballonfabrik. Sie wurden deportiert, vermutlich am 8./9. März
1943 nach Auschwitz (vielleicht über Theresienstadt), und gelten
als verschollen.
In den USA machte Fritz Friedmann eine wissenschaftliche Karriere.
Elisabeth widmete sich voll und ganz ihrer Familie. Sie war,
obwohl sie keine Möglichkeit zu einem Studium hatte, hoch gebildet
und redigierte viele Texte ihres Mannes, bevor sie veröffentlicht
wurden.
1960 kehrte Elisabeth mit ihrem Mann nach Deutschland zurück,
zunächst nach München. Fritz wurde dort Professor für nordamerikanische
Kulturgeschichte und Direktor des Amerika-Instituts an der Ludwig-Maximilians-Universität.
1979 wurde er emiritiert. Später zog das Ehepaar nach Friedberg
bei Augsburg.
Elisabeth Friedmann, geb. Oberdorfer, ist 2002 in Friedberg
gestorben und wurde in Augsburg auf dem jüdischen Friedhof an
der Haunstetter Straße begraben. Sie hatte der ehemaligen deutschen,
liberal-jüdischen Gemeinde Augsburgs angehört; da es hier aus
dieser Tradition keine zehn Männer mehr gab, konnte für Elisabeth
das Kaddisch nicht gesprochen werden (Kaddisch: jüdisches Gebet,
eine Heiligung des göttlichen Namens; eine Version davon wird
von Sohn oder Tochter des Verstorbenen bei der Beerdigung gebetet,
dabei müssen zehn Männer anwesend sein).
Fritz Friedmann, Elisabeths Ehemann, starb im Januar 2008.
Elisabeths Tochter Miriam Friedmann, geb. 1942 in Jackson (Tennessee),
lebte lange in New York.
Sie war
maßgeblich an Publikationen über Hertha Nathorff, die Cousine
Albert Einsteins, beteiligt (Das Tagebuch der Hertha Nathorff.
Berlin – New York, Aufzeichnungen 1933 bis 1945, hrsg. von
Wolfgang Benz, München 1987; Film »Traumspuren«, HFF München
und Bayerischer Rundfunk 1993, Regie Patrick Hörl). Wir
verdanken ihr viele Informationen für das Projekt »Spurensuche«.
Miriams Tante väterlicherseits war
Anna Friedmann.
(Diese Kurzbiografie beruht zum größten Teil auf Angaben von
Elisabeths Tochter Miriam Friedmann.)
NB: Von Eugen und Emma Karolina Oberdorfer
heißt es im Gedenkbuch des Bundesarchivs (2. Aufl. 2006),
sie seien zu unbekannter Zeit mit unbekanntem Ziel deportiert
worden. Das Ehepaar ist nicht im Theresienstädter Gedenkbuch
(Prag 2000) verzeichnet. |