Biografien   Anna Friedmann
Anna Friedmann
geb. 1915 in Augsburg, Vater Kaufmann (»Friedmann & Dannenbaum«), Wohnhaus Hallstraße B 154 / I (später Nr. 12), Geschäft Annastraße / Ecke Annaplatz (heute Martin-Luther-Platz)

Annas Vater Ludwig Friedmann (geb. 1880 in Augsburg) war Teilhaber einer der damals führenden Herstellerfirmen von Wäsche in Bayern, Soldat im 1. Weltkrieg, überzeugter liberaler Jude, zweiter Vorstand der letzten jüdischen Gemeinde in Augsburg vor dem Krieg. Annas Mutter Selma, geb. Fromm (geb. 1890 in Augsburg), war Schülerin am A. B. von Stettenschen Institut in Augsburg gewesen, einer privaten Mädchenschule.
Anna hatte einen älteren Bruder, Friedrich (»Fritz«, geb. 1912), eine jüngere Schwester, Elisabeth (»Lia«, geb. 1919), und einen jüngeren Bruder, Otto (geb. 1926).
Anna besuchte die Maria-Theresia-Schule von 1926 bis 1932 in den Klassen 1–3 und G4–G6.
Am 2. Juni 1930 feierte Anna zusammen mit acht anderen jüdischen Mädchen ihre »Konfirmation« in Augsburg (Batmizwah: Fest der religiösen Mündigkeit für jüdische Mädchen, kann individuell am Sabbat nach dem 12. Geburtstag des Mädchens begangen werden, wurde in Augsburg aber, ähnlich wie die protestantische Konfirmation, jährlich oder in noch größeren Abständen für mehrere Jahrgänge gemeinsam abgehalten).
Anna war eine begabte Pianistin, im Elternhaus wurde anspruchsvolle Kammermusik gepflegt, u.a. mit Rolf Fabian an der Violine (Rolf heiratete Elsbeth Guggenheimer). Die Familie nahm oft teil, wenn die Brüder Otto und Eugen Jochum (der spätere berühmte Dirigent) Opernbesuche im Stadttheater mit privaten Einführungen organisierten.
Nach der Schulzeit absolvierte Anna mehrere Praktika und Lehrlings-Anstellungen als Damenschneiderin. Im Dezember 1936 emigrierte sie zusammen mit ihrem Freund, dem Ingenieur Ludwig Spiro (geb. 1912 in Trier), nach England. Zwei Jahre später heirateten sie. Von Mai 1940 bis Januar/Februar 1941 waren Anna und Ludwig in Lagern auf der Insel Man interniert. Das Ehepaar bekam zwei Söhne, 1942 und 1947. Bis 1947 war Anna als Damenschneiderin tätig.
Anna Spiro, geb. Friedmann, ist 1999 in London gestorben.
Im Februar 1939 konnten auch Annas jüngere Geschwister Lia und, mit einem Kindertransport, Otto nach England auswandern. Lia zog wenig später weiter nach New York und verheiratete sich dort. Auch Otto ließ sich in den USA nieder.
Annas älterer Bruder Fritz emigrierte nach kurzer Haft 1933 nach Rom und heiratete dort 1938 Elisabeth Oberdorfer. Das Ehepaar emigrierte 1939/40 aus Italien in die USA und kehrte 1960 nach Deutschland zurück. Nach einer langen wissenschaftlichen Karriere in den USA und in München zog Fritz mit seiner Frau wieder in die Nähe von Augsburg, wo er 2008 starb.
Annas Mutter Selma leistete während des Krieges wie viele jüdische Mädchen und Frauen in Augsburg Zwangsarbeit, nach Annas Bericht bei MAN, laut Gernot Römer aber von Februar 1942 bis Anfang März 1943 in der Augsburger Ballonfabrik. Beide Eltern mussten 1942 in ein »Judenhaus« in der Bahnhofstraße 18 1/5 umziehen, wo sie dicht gedrängt mit anderen Ehepaaren zusammenwohnten. Sie nahmen sich am 7. März 1943 gemeinsam mit den befreundeten Ehepaaren Englaender und Guggenheimer das Leben, als ihnen die Deportation nach Auschwitz bevorstand (siehe die Biografien von Elisabeth Englaender und Elsbeth Guggenheimer).

Siehe die Notiz von Annas Ehemann Ludwig Spiro über ihre Ausbildung und Berufstätigkeit als Damenschneiderin, E-Mail von März 2005, zitiert bei Gernot Römer (Hrsg.), »An meine Gemeinde in der Zerstreuung«. Die Rundbriefe des Augsburger Rabbiners Ernst Jacob 1941–1949, Augsburg 2007, S. 350.

Literatur:
Anna Spiro (geb. Friedmann), Years to Remember, London 1988 (Privatdruck); kurzer übersetzter Auszug in: Peter Wolf (Hrsg.), Spuren. Die jüdischen Schülerinnen und die Zeit des Nationalsozialismus an der Maria-Theresia-Schule Augsburg. Ein Bericht der Projektgruppe »Spurensuche« des Maria-Theresia-Gymnasiums, Augsburg 2005, S. 61; auch auf dieser Website (s.u.).

Zeitzeugen – Briefe und Erinnerungen
:
Auszug aus Anna Spiro, geb. Friedmann, Years to Remember, London 1988 (Privatdruck).
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