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»Einer muss gehen und sich
retten, um später erzählen zu können, wer die Familie Weil war.«
Das hatte Amalie Weil ihrem Sohn Arie gesagt, als sie ihn 1939,
kurz nach dem Tod des Vaters, aus seiner Heimatstadt Augsburg
nach Palästina schickte. Seine Mutter und seine Schwestern
Gertrud und Marianne wurden nach Auschwitz deportiert und kamen
dort ums Leben. Arie Weil war der einzige, der den Holocaust
überlebte und erzählen konnte, wer die Familie Weil war. Sehr
spät in seinem Leben ist ihm das auf außergewöhnliche Weise
gelungen. In der »Spurensuche« des Maria-Theresia-Gymnasiums
Augsburg war seine Schwester Marianne die Hauptprotagonistin –
und Arie erzählte nun, wer die Weils waren: Der Vater Siegfried
Weil, der in Oxford Maschinenbau studiert hatte und in Augsburg
die Firma »Gebr. Demharter Landmaschinenbau« betrieb, die Mutter
Amalie, von der die Tochter Marianne die künstlerische Begabung
geerbt hatte, Gertrud, die Krankenschwester wurde – eine
bürgerliche Augsburger Familie, in die das Grauen einbrach.
Im Februar 2015 erreichte uns die Nachricht, dass Arie Weil
im Alter von 90 Jahren in Israel gestorben ist. Wir sind traurig
über seinen Tod, aber wir sind auch glücklich, diesen
lebensfrohen und warmherzigen Menschen kennengelernt zu haben.
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Die Website präsentiert
die von der Projektgruppe
»Spurensuche«
des Augsburger
Maria-Theresia-Gymnasiums in den Jahren 2003–2008 erarbeitete
Dokumentation und die zugehörige Ausstellung. Die derzeit bekannten
205 jüdischen (und »halbjüdischen«) Schülerinnen, die in der Zeit
von 1895 bis 1938 die Maria-Theresia-Schule besuchten, werden mit
Kurzbiografien, Bild- und Archivmaterial vorgestellt. Mit dieser
Dokumentation wird auch ein eindrucksvoller Bestandteil Augsburger
Stadtgeschichte, der radikal zerstört wurde, wieder greifbar. Als
exemplarisches Schicksal steht das Leben von Marianne Weil im Mittelpunkt,
die in Auschwitz gestorben ist. Zeitzeugeninterviews, die Chronik
des Schullebens unter dem NS-Regime, in der sich die zunehmende
Entrechtung und Ausgrenzung der jüdischen Schülerinnen und ihrer
Familien widerspiegelt, aber auch die Resonanz auf die erstmals
im November 2005 im Maria-Theresia-Gymnasium gezeigte Ausstellung
vervollständigen das Angebot.
Den institutionellen
Rahmen des von Peter Wolf initiierten und betreuten Projekts bildete
der Wahlunterricht
»Politik und Zeitgeschichte«
im Schuljahr 2004/05. Die Ergebnisse dieses Schülerprojekts
zu bewahren und einer großen Öffentlichkeit zugänglich zu machen,
aber auch etwas von der besonderen Arbeitsatmosphäre zu dokumentieren,
ist das Ziel dieser Internetseite. Das Design greift die
Gestaltungsidee der Ausstellung
auf und stellt die Themen auf einer Art Schultafel vor, die die
Besucher entlang gehen können.
Die elektronische Version der Ausstellung ist auf dieser Website
im Menü
Spurensuche dokumentiert.
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Viele der ausgestellten Fotos und Dokumente
wurden der Projektgruppe von privaten Leihgebern
überlassen. Andere stammen aus den
Archiven des Maria-Theresia-Gymnasiums (»MT«) oder des A.B. von
Stettenschen Instituts (»Stetten«) – beide Augsburger
Lehranstalten hatten noch einige Jahre nach 1933
jüdische Mädchen unter ihren Schülerinnen. Die Herkunft weiterer
Abbildungen sowie von Zitaten wird in der Ausstellung meist mit
Kurztiteln belegt. Die vollständigen Angaben sind im Folgenden aufgeführt:
Irmgard Hirsch-Erlund, Irmgard.
Eine jüdische Kindheit in Bayern und eine Vertreibung, hrsg.
von G. Römer, Augsburg 1999.
Ingeborg Oppel
Urcia, Mutti war Jüdin. Eine Kindheit im Dritten Reich,
hrsg. von Gernot Römer, Augsburg 2004.
Gernot Römer, Die Austreibung der Juden aus Schwaben. Schicksale
nach 1933 in Berichten, Dokumenten, Zahlen und Bildern,
Augsburg 1987.
Gernot Römer, Mitarbeit Ellen Römer,
Der Leidensweg der Juden in Schwaben. Schicksale von 1933
bis 1945 in Berichten, Dokumenten und Zahlen, Augsburg 1983.
Gernot Römer,
»Jüdisch versippt«. Schicksale
von »Mischlingen« und nichtarischen Christen in Schwaben,
Augsburg 1996.
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Gernot Römer,
Schwäbische Juden. Leben und Leistungen aus zwei Jahrhunderten
in Selbstzeugnissen, Berichten und Bildern, Augsburg 1990.
Otto Schwerdt,
Mascha Schwerdt-Schneller, Als Gott und die Welt schliefen,
Viechtach 1998.
Auch an anderen deutschen Schulen gingen
oder gehen Arbeitsgruppen den Schicksalen der früheren jüdischen
Schüler nach. Einige solcher Projekte sind am Anfang unserer Liste
von Web-Links aufgeführt. In gedruckter
Form sind folgende Projekte dokumentiert:
Bamberg
Ursula Schember, Stephan Link, Jens-Peter Kurzella, Nobert Hirschmann,
Wolfgang Budde (Hrsg.), Erinnerung an jüdische Schülerinnen und
Schüler Bambergs. Ein Schülerprojekt der Berufsoberschule Bamberg,
des Eichendorff-Gymnasiums Bamberg und des Franz-Ludwig-Gymnasiums
Bamberg, Bamberg 2001.
Darmstadt
Ulrike Klein, Beate Kosmala, Sophie Söll, Anja Dittmann
(Hrsg.), Tobias Dette, Rouven Kunitsch, Thomas Lange (Mitarb.),
Jüdische Schüler am Darmstädter Ludwig-Georgs-Gymnasium in den
zwanziger und dreißiger Jahren, Darmstadt 1992.
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Beate Kosmala, »Auch die
eigene Schule hat eine Geschichte. Ein Projekt über jüdische Schüler«,
in: Thomas Lange (Hrsg.), Geschichte selbst erforschen. Schüler
arbeiten im Archiv, Weinheim – Basel 1993; nachgedruckt in:
Gottfried Kößler, Guido Steffens, Christoph Stillemunkes (Hrsg.),
Spurensuche. Ein Reader zur Erforschung der Schulgeschichte während
der NS-Zeit, Frankfurt a. M. 1998, S. 53–57.
Frankfurt a. M.
Spurensuche-AG der Wöhlerschule, Martin Hilgenfeld (Hrsg.),
Lebensspuren. Jüdische Wöhlerschüler – Opfer des Terrors 1938–1945.
Begleitheft zur Ausstellung der Spurensuche-AG der Wöhlerschule
Frankfurt a. M., Frankfurt a. M. 2001.
Kassel
Dietrich Heither, Wolfgang Matthäus, Bernd Pieper, Als
jüdische Schülerin entlassen. Erinnerungen und Dokumente zur Geschichte
der Heinrich-Schütz-Schule in Kassel, Kassel 1984.
Nürnberg
Arbeitsgemeinschaft Schulgeschichte des Städtischen Sigena-Gymnasiums
Nürnberg unter der Leitung von Wolf Hergert (Hrsg.), »Verfolgt,
vertrieben, ermordet«. Das Schicksal der Jüdinnen an einer
Nürnberger Oberschule 1933–1945, Nürnberg 2007.
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Regensburg
Michael Wabra (Hrsg.), Zum Gedenken an unsere ehemaligen
jüdischen Schülerinnen, die Opfer des Nationalsozialismus
geworden sind. Eine Broschüre zur Geschichte des
Von-Müller-Gymnasiums in den Jahren 1933 bis 1936, erstellt von
der Arbeitsgruppe Geschichtswerkstatt der SMV des
Von-Müller-Gymnasiums, Regensburg 1987.
Wien
Martin Krist, Vertreibungsschicksale. Jüdische Schüler eines
Wiener Gymnasiums 1938 und ihre Lebenswege. Mit einem Vorwort
von Erich Hackl, Wien 1999; 2., erw. Aufl. 2001.
Weitere Publikationen über jüdische
Schüler während der nationalsozialistischen Herrschaft:
Berlin
Larissa Dämmig, »Jüdische Schüler und Lehrer an der Königstädtischen
Oberrealschule«, in: Bezirksamt Pankow von Berlin, Kulturamt / Prenzlauer
Berg Museum für Heimatgeschichte und Stadtkultur (Hrsg.), Bernt
Roder (Konzeption u. Projektleitung), Schule zwischen gestern
und morgen. Beiträge zur Schulgeschichte von Prenzlauer Berg,
Berlin 2002, S. 50–66.
Birgit Kirchhöfer, »Für und wider eine neue Schule. Die jüdische
Schule in der Rykestraße«, ebd., S. 372–394.
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Düsseldorf
Landeshauptstadt Düsseldorf, Stadtmuseum (Hrsg.), Verjagt,
ermordet. Zeichnungen jüdischer Schüler, 1936–1941, Düsseldorf
1988.
Hamburg
Reiner Lehberger, Christiane Pritzlaff, Ursula Randt,
Entrechtet – vertrieben – ermordet – vergessen. Jüdische Schüler
und Lehrer in Hamburg unterm Hakenkreuz, Hamburg 1988; 2. Aufl.
1991.
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