Dora Landauer
geb. 1916 in Augsburg, Vater Fabrikbesitzer (»M. S. Landauer«),
Wohnung Schießgrabenstraße 4, Firma Färberstraße 25
Die Textilfabrik »M. S. Landauer« lag in Augsburg-Oberhausen,
Doras Vater Paul (geb. 1879 in Augsburg) war einer von mehreren
Teilhabern aus der Landauer-Familie (der Name der Firma stammte
von ihrem Gründer, dem Weber Moses Samuel Landauer, der 1808
in Hürben – heute ein Stadtteil von Krumbach – geboren worden
war).
Paul Landauer heiratete 1910 Hedwig Schnebel aus Nürnberg (geb.
1890). Das Paar bekam vier Töchter, die alle die Maria-Theresia-Schule
besuchten:
Elsbeth,
Herta, Dora und
Marianne. Dora war die dritte. Sie besuchte die Schule von
1926 bis 1935 in den Klassen 1–G9.
Am 2. Juni 1930 feierte Dora gemeinsam mit acht anderen jüdischen
Mädchen ihre »Konfirmation« in Augsburg (Batmizwah: Fest der
religiösen Mündigkeit für jüdische Mädchen, kann individuell
am Sabbat nach dem 12. Geburtstag des Mädchens begangen werden,
wurde in Augsburg aber, ähnlich wie die protestantische Konfirmation,
jährlich oder in noch größeren Abständen für mehrere Jahrgänge
gemeinsam abgehalten).
Dora machte 1935 das Abitur. Wenige Jahre später emigrierte
sie und heiratete Theodor Schocken (geb. 1914 in Zwickau). Theodor
war der zweite Sohn von Salman Schocken (1877–1959), dem Inhaber
der berühmten Kaufhaus-Kette Schocken und Gründer des »Schocken
Verlags«. Dieser Verlag bestand in Berlin von 1931 bis zu seinem
Verbot 1938. Hier erschien ein reiches Spektrum jüdischer Literatur,
u.a. Die Schrift, die berühmte Übersetzung der hebräischen
Bibel von Martin Buber und Franz Rosenzweig, sowie seit 1934
die Werke Franz Kafkas. Salman Schocken wanderte 1934 nach Palästina
aus. Dort wurde er wiederum zum Verlagsgründer, und schließlich
noch ein drittes Mal 1945 in den USA, wohin er 1940 emigriert
war.
Bis 1938 blieb Theodor Schocken in Deutschland und war in führender
Position im Kaufhauskonzern und im Verlag seines Vaters tätig.
1938 wurde die Firma Schocken – zu der auch ein Kaufhaus in
Augsburg gehörte – »arisiert«; Theodor ging nach Palästina und
später, wie sein Vater, in die USA. Auch Theodors Vetter Georg
Spiro, der Ehemann von Dora Landauers Schwester Elsbeth, war
im Schocken-Konzern tätig gewesen. Georg und Elsbeth emigrierten
mit ihren Kindern nach Ramat Gan in Palästina (bei Tel Aviv).
Um 1938 musste auch die Augsburger Fabrik »M. S. Landauer«,
seit vier Generationen in Familienbesitz, weit unter Wert verkauft
werden und wurde »arisiert«. Doras Eltern, Hedwig und Paul Landauer,
emigrierten 1939 ebenfalls nach Ramat Gan. Dora wanderte in
die USA aus. Dort heirateten sie und Theodor, der sich nun »Theodore«
nannte, 1941. Etwa um dieselbe Zeit erwarb Dora an der Universität
von Chicago ihren »Bachelor of Arts« als Sozialarbeiterin.
Theodore Schocken kämpfte in der US-Army gegen das nationalsozialistische
Deutschland. Nach dem Krieg arbeitete er in der amerikanischen
Verlagsgründung seines Vaters, nahm aber zeitweise auch Aufgaben
im Aufsichtsrat der Firma »Merkur« wahr, in die die Schocken-Kaufhäuser
übergegangen waren.
Nach Salmans Tod 1959 übernahmen Theodore und sein Schwager
Herzl Rome die Leitung des amerikanischen Verlags. Als Teil
des Verlagskonzerns »Random House Inc.« existiert »Schocken
Books« noch heute.
Dora und Theodore bekamen drei Töchter. Theodore starb 1975
mit 60 Jahren.
Doras Elten starben in Ramat Gan, Israel: Paul 1976, Hedwig
1979.
Dora war Sozialarbeiterin in einem Krankenhaus in Westchester
(New York).
Dora Schocken, geb. Landauer, ist 2005 in
Longmeadow
(Massachusetts) gestorben.
(Dora Schockens Tochter Naomi Landau hat zu dieser Kurzbiografie
ihrer Mutter beigetragen.)
Siehe im Staatsarchiv
Augsburg die Kopie einer Chronik der Firma M. S. Landauer. Ein
Anhang, »Die Nachfahren des M. S. Landauer und seiner Ehefrau
Klara aus Hürben bei Krumbach«, endet beim Stand vom 15. März
1936.
Literatur:
Anthony David, The Patron. A Life of Salman Schocken,
1877–1959, New York 2003.
Konrad Fuchs, Ein Konzern aus Sachsen. Das Kaufhaus Schocken
als Spiegelbild deutscher Wirtschaft und Politik 1901 bis 1953,
Stuttgart 1990.
Saskia Schreuder und Claude Weber in Verbindung mit Silke Schaeper
und Frank Grunert (Hrsg.), Der Schocken Verlag / Berlin.
Jüdische Selbstbehauptung in Deutschland, 1931–1938. Essayband
zur Ausstellung »Dem suchenden Leser unserer Tage« der Nationalbibliothek
Luxemburg, Berlin 1994.
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