Biografien   Stella Politzer
Stella Politzer
geb. 1907 (korrekt vermutlich: 1906) in Augsburg, Vater Kaufmann

Stellas Vater hieß Sigmund Politzer, ihre Mutter Berta, geb. Mayer (geb. 1884).
Stella besuchte die Maria-Theresia-Schule 1919/20 in Klasse 2a; möglicherweise blieb sie bis 1923 bis zur Klasse 5 auf der Schule.
Stella wohnte von Dezember 1930 bis März 1934 in Memmingen; dort war sie Geschäftsleiterin des Kaufhauses Wohlwert (»Hansa-Haus«). Im April 1934 zog sie wieder nach Augsburg. Im März 1937 heiratete sie den Textilverkäufer Max Freund (geb. 1900 in Konstanz). Das Ehepaar wohnte Auf dem Rain 2.
Max wurde als schwerkranker Mann im Herbst 1938 von Nationalsozialisten »abgeholt« und ist im Oktober desselben Jahres gestorben.
Stella wurde am 20. November 1941 von München nach dem litauischen Kowno (Kaunas) deportiert, so wie auch Johanna Bär, Rosa Deller und Dina Strauss.
Die verschleppten Frauen, Männer und Kinder wurden fünf Tage später in Kowno erschossen.
»Bei der Ankunft [im Münchner Lager Milbertshofen] … wurden die für die Deportation vorgesehenen Personen sofort einer Leibesvisitation unterzogen. Den Betroffenen war die Mitnahme von 50 kg Gepäck gestattet worden; für die ›Reisekosten‹ waren … 50 Reichsmark zu entrichten. … Zahlreiche Gegenstände wurden beschlagnahmt. Gleichwohl bemühte sich die Gestapo, den Menschen eine ›Normalität‹ vorzugaukeln, es wurde versucht, die tödliche Bestimmung des Transports zu verschleiern und den Eindruck zu erwecken, es handle sich tatsächlich um eine ›Evakuierung‹ nach Osten, eine Verschickung zum Arbeitseinsatz an einem bislang noch unbekannten Ort. In den frühen Morgenstunden des 20. November 1941 erfolgte schließlich … der etwa fünfzehnminütige Fußmarsch vom Lager an der Knorrstraße zum Bahnhof Milbertshofen. … Noch unmittelbar vor der Abfahrt des Zuges erhielt der leitende Beamte … die Mitteilung, dass der Transport nicht wie vorgesehen nach Riga, sondern nach Kaunas in Litauen geleitet werde. … Nach Aussage der begleitenden Wachmannschaft verlief der Transport nach Kaunas ›ruhig‹. Lediglich die unzureichende Wasserversorgung sorgte für Unruhe. … Die Zugfahrt dauerte drei Tage; die genaue Streckenführung ist nicht mehr zu rekonstruieren. An einem Samstagabend erreichte der Zug Kaunas. Die Münchner Juden wurden zu Fuß in das etwa sechs Kilometer nordwestlich vor der Stadt gelegene Fort IX geführt. … Am 25. November 1941 – nachdem man sie also noch zwei Tage in den verrotteten Verliesen des Forts festgehalten hatte – wurden die aus München deportierten Menschen gemeinsam mit anderen Juden … erschossen. Die Leichen der Ermordeten wurden in bereits ausgehobenen Gräben verscharrt. Bis zuletzt hatte man die Menschen über das ihnen vorherbestimmte Schicksal im Ungewissen gehalten« (A. Heusler).
Der Name von Stella Freund ist auf einer Glastafel der Schoa-Gedenkstätte aufgeführt, die im Augsburger Rathaus zu besichtigen ist (Künstler: Klaus Goth).

NB: Im Gedenkbuch des Bundesarchivs
(2. Aufl. 2006) und im Buch der Erinnerung (2003) wird als Stellas Geburtsjahr 1906 angegeben, ebenso in der Broschüre Erinnerung stiftet Erlösung (Memmingen 1999). Der Schul-Jahresbericht von 1919/20 nennt dagegen das Jahr 1907.

Siehe Christoph Engelhard (Bearb.), Erinnerung stiftet Erlösung. Gedenkheft für die jüdischen Frauen, Männer und Kinder aus Memmingen, die zwischen 1941 und 1945 verfolgt, verschleppt und ermordet wurden, hrsg. vom Stadtarchiv Memmingen, Memmingen 1999, S. 9.
Gernot Römer (Hrsg.), »An meine Gemeinde in der Zerstreuung«. Die Rundbriefe des Augsburger Rabbiners Ernst Jacob 1941–1949, Augsburg 2007, S. 230 (Angaben von Stellas Verwandter Grete Schreiner, geb. Politzer, zu Max Freund).

Literatur:
Andreas Heusler, »Fahrt in den Tod. Der Mord an den Münchner Juden in Kaunas (Litauen) am 25. November 1941«, in: Stadtarchiv München (Hrsg.),
»… verzogen, unbekannt wohin.« Die erste Deportation von Münchner Juden im November 1941, Zürich – München 2000, S. 13–24.
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