Biografien   Dina Strauss
Dina Strauss
geb. 1900 in Binswangen, Vater Kaufmann in Binswangen, ab 1913/14 in Augsburg

Dinas
Eltern waren der Binswanger Getreidehändler Salomon Strauss und Betty, geb. Binswanger (geb. 1866). Als Zweck von Dinas Aufenthalt in Augsburg wurde amtlich festgehalten: »besucht die Mädchenschule für höhere Töchter«. Dina besuchte die »Städtische Töchterschule«, die ab 1914 »Maria-Theresia-Schule« genannt wurde, von 1911 bis 1916 in den Klassen 1–5.
Anschließend besuchte Dina das Konservatorium, machte ihren Abschluss im Fach Gesang und arbeitete fortan als Opernsängerin. Bis 1937 sang sie auch bei Feierlichkeiten in der Augsburger Synagoge, so etwa bei der »Konfirmation«  (Batmizwah) von Gertrud und Marianne Weil.
Dina heiratete 1929 den Kaufmann Leo Marx (geb. 1896). Das Ehepaar wohnte zunächst in Augsburg, wo Leo in der Frauentorstraße ein Geschäft für Radios und Grammophone führte. Ihr erster Sohn, Heinz, wurde nur ein Jahr alt. 1932 wurde ihr Sohn Gert geboren.
Von April 1934 bis November 1935 war Leo in Dachau inhaftiert. Die Familie zog 1937 nach München, wo Brigitta (geb. 1937, nach nur drei Wochen gestorben) und Joel (geb. 1939) geboren wurden. Leo wurde 1938 für etwa ein Jahr in das KZ Oranienburg-Sachsenhausen gebracht und konnte dann nach Shanghai emigrieren. Seine Familie aber konnte nicht nachkommen. Am 20. November 1941 wurde Dina zusammen mit ihren beiden Söhnen nach dem litauischen Kowno (Kaunas) deportiert, so wie auch die ehemaligen Maria-Theresia-Schülerinnen Johanna Bär, Rosa Deller und Stella Politzer. Fünf Tage später wurden die verschleppten Frauen, Männer und Kinder in Kowno erschossen.
»Für München lag die Federführung dieser Aktion bei der Stapoleitstelle im Wittelsbacher Palais an der Brienner Straße. Der hier für ›Judenfragen‹ zuständige SS-Hauptsturmführer Johann Pfeuffer … beauftragte … den Syndikus der Israelitischen Kultusgemeinde München, Julius Hechinger, mit der Benennung von 1000 Personen für die bevorstehende ›Evakuierung‹. … Die Information und Vorbereitung der Personen auf die Deportation war ebenfalls Aufgabe der Kultusgemeinde. Manche der zur Deportation bestimmten Menschen wurden schon Tage vorher, manche erst am Vortag des Transports an ihrem Wohnsitz abgeholt und mit Omnibussen in das Lager Milbertshofen an der Knorrstraße 148 gebracht. Bei der Ankunft … wurden die für die Deportation vorgesehenen Personen sofort einer Leibesvisitation unterzogen. Den Betroffenen war die Mitnahme von 50 kg Gepäck gestattet worden; für die ›Reisekosten‹ waren … 50 Reichsmark zu entrichten. … Zahlreiche Gegenstände wurden beschlagnahmt. Gleichwohl bemühte sich die Gestapo, den Menschen eine ›Normalität‹ vorzugaukeln, es wurde versucht, die tödliche Bestimmung des Transports zu verschleiern und den Eindruck zu erwecken, es handle sich tatsächlich um eine ›Evakuierung‹ nach Osten, eine Verschickung zum Arbeitseinsatz an einem bislang noch unbekannten Ort. In den frühen Morgenstunden des 20. November 1941 erfolgte schließlich … der etwa fünfzehnminütige Fußmarsch vom Lager an der Knorrstraße zum Bahnhof Milbertshofen. … Noch unmittelbar vor der Abfahrt des Zuges erhielt der leitende Beamte … die Mitteilung, dass der Transport nicht wie vorgesehen nach Riga, sondern nach Kaunas in Litauen geleitet werde. … Nach Aussage der begleitenden Wachmannschaft verlief der Transport nach Kaunas ›ruhig‹. Lediglich die unzureichende Wasserversorgung sorgte für Unruhe. … Die Zugfahrt dauerte drei Tage; die genaue Streckenführung ist nicht mehr zu rekonstruieren. An einem Samstagabend erreichte der Zug Kaunas. Die Münchner Juden wurden zu Fuß in das etwa sechs Kilometer nordwestlich vor der Stadt gelegene Fort IX geführt. … Am 25. November 1941 – nachdem man sie also noch zwei Tage in den verrotteten Verliesen des Forts festgehalten hatte – wurden die aus München deportierten Menschen gemeinsam mit anderen Juden … erschossen. Die Leichen der Ermordeten wurden in bereits ausgehobenen Gräben verscharrt. Bis zuletzt hatte man die Menschen über das ihnen vorherbestimmte Schicksal im Ungewissen gehalten« (A. Heusler).

Siehe
Andreas Heusler, Brigitte Schmidt, Eva Ohlen, Tobias Weger u. Simone Dicke unter Mitarbeit von Maximilian Strnad, Biographisches Gedenkbuch der Münchner Juden 1933–1945, Bd. 2 (M–Z), hrsg. vom Stadtarchiv München, München 2007, S.48f., 52 u. 54.


Literatur:
Andreas Heusler, »Fahrt in den Tod. Der Mord an den Münchner Juden in Kaunas (Litauen) am 25. November 1941«, in: Stadtarchiv München (Hrsg.),
»… verzogen, unbekannt wohin.« Die erste Deportation von Münchner Juden im November 1941, Zürich – München 2000, S. 13–24.
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