Biografien   Marianne Untermayer
Marianne Untermayer
geb. 1916 in Augsburg, Vater Kaufmann (»Leinen- und Wäschehaus M. Untermayer«), Wohnung Holbeinstraße 12, Geschäft Maximilianstraße D4

Mariannes Vater Eugen Untermayer (geb. 1886 in Augsburg) war der letzte Chef des in Augsburg führenden
Wäschegeschäfts in der »Untermayer-Passage« (heute »Max-Passage«). Mariannes Mutter hieß Flora, geb. Epstein (geb. 1892 in Augsburg). So wie Marianne besuchte auch ihre jüngere Schwester Hannah die Maria-Theresia-Schule. Außerdem hatte Marianne einen Bruder, Richard (1919–1977).
Marianne besuchte die Maria-Theresia-Schule von 1926 bis 1935 in den Klassen 1–G9.
Am 2. Juni 1930 feierte Marianne gemeinsam mit acht anderen jüdischen Mädchen ihre »Konfirmation« in Augsburg (Batmizwah: Fest der religiösen Mündigkeit für jüdische Mädchen, kann individuell am Sabbat nach dem 12. Geburtstag des Mädchens begangen werden, wurde in Augsburg aber, ähnlich wie die protestantische Konfirmation, jährlich oder in noch größeren Abständen für mehrere Jahrgänge gemeinsam abgehalten).
Bei der Reifeprüfung 1935 gab Marianne als Berufswunsch »Direktrice in Wäsche- und Aussteuergeschäft« an. Sie ging in die Nählehre im Geschäft ihres Vaters. Im Mai 1938 emigrierte sie nach New York. Während des Krieges traf sie dort den Augsburger Ernst Cramer wieder (geb. 1913), einen Bruder von Helene Cramer, der im KZ Buchenwald inhaftiert gewesen und 1939 in die USA geflohen war. Die Familien Cramer und Untermayer waren in Augsburg eng befreundet gewesen. Ernst kämpfte als US-Soldat gegen das nationalsozialistische Deutschland.
Mariannes Vater Eugen wurde 1938 nach dem November-Pogrom zusammen mit seinem Sohn Richard für kurze Zeit im KZ Dachau eingesperrt. Um emigrieren zu können, musste er sein Geschäft verkaufen. Er und seine Frau Flora wanderten noch 1938 über Luxemburg in die USA aus. Dort arbeitete er zunächst als Kunstbuchverkäufer, Flora als Putzfrau. Später besaß er in Pueblo die »Ferro Processing«, eine Tochtergesellschaft der »Colorado Fuel and Iron Corporation«. Beide Eheleute starben in Pueblo, Eugen 1957, Flora 1986.
Das zweite Stockwerk des Hauses der Familie Untermayer wurde von den Nationalsozialisten um 1942 als »Judenhaus« eingerichtet. In die ehemalige Wohnung der Schwiegereltern von Ernst Cramer wurden seine Eltern (Martin und Klara Cramer, geb. Berberich) sowie sein Bruder Erwin eingewiesen und von dort Anfang April 1942 nach Piaski in Polen deportiert.
Mariannes Geschwister Richard und Hannah emigrierten 1939/40 in die USA.
Mariannes Großmutter Hedwig Epstein, geb. Gunz (geb. 1871 in Augsburg), war in der Wohnung, die über dem Geschäft lag und die dann als »Judenhaus« diente, zurückgeblieben. Von hier aus wurde Hedwig im August 1942 nach Theresienstadt deportiert und starb dort am 28. März 1944.
Ernst Cramer kam 1945 als Soldat der US-Armee nach Deutschland zurück. Auch Marianne besuchte nach dem Krieg Augsburg. Die beiden entschieden sich, wieder in Deutschland zu leben. Sie heirateten 1948 in München. 1949 bekamen sie zwei Kinder.
Ernst Cramer hatte wichtige Posten im Axel-Springer-Verlag inne.
Marianne Cramer, geb. Untermayer, lebt bis heute (2006) mit ihrem Ehemann Ernst Cramer in Deutschland.

Literatur
:
Carolin Götz, Angelika Markow, »Gespräch mit Frau Marianne Cramer, geb. Untermayer, am 09.05.05 am MT«, in: Peter Wolf (Hrsg.), Spuren. Die jüdischen Schülerinnen und die Zeit des Nationalsozialismus an der Maria-Theresia-Schule Augsburg. Ein Bericht der Projektgruppe »Spurensuche« des Maria-Theresia-Gymnasiums, Augsburg 2005, S. 54–56; auch auf dieser Website (s.u.).
Brief von Marianne und Ernst Cramer, München 1948/49; Auszug bei Ernst Jacob, Rundschreiben Nr. 17, April 1949, in: Gernot Römer (Hrsg.), »An meine Gemeinde in der Zerstreuung«. Die Rundbriefe des Augsburger Rabbiners Ernst Jacob 1941–1949, Augsburg 2007, S. 157–163, hier S. 162.
Brief von Ernst Cramer aus Deutschland, 11. Mai 1945; Auszug bei Ernst Jacob, Rundschreiben Nr. 10, August 1945, ebd., S. 101–105, hier S. 106; kürzerer Auszug auch auf dieser Website (s.u.).

Zeitzeugen–Gespräche
: Gespräch mit Frau Marianne Cramer, geb. Untermayer, am 9. Mai 2005 am MT, aufgezeichnet von Carolin Götz und Angelika Markow.
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