Biografien   Klara Berberich
Klara Berberich
geb. 1886 in Augsburg, Vater Kaufmann, Prinzregentenstraße 9 / III

Klaras
Vater hieß Isaak Berberich (geb. 1856); ihre Mutter Betty, geb. Gerstle (1857–1935), war eine Schwester von Hermann Gerstle, dem Vater von Anna Gerstle und Großvater von Käthe und Margot Hirsch.
Klara besuchte die »Städtische Töchterschule«, die später »Maria-Theresia-Schule« genannt wurde, von 1898 bis 1902 in den Klassen 1–4; die vierte Klasse war damals die Abschlussklasse.
Klara heiratete 1911 den Kaufmann Martin Cramer (geb. 1880 in Speyer). Martin arbeitete ab 1918 als Büroleiter in einer Auskunftei, später im Zigarrenhandel. Er spielte eine herausragende Rolle im Augsburger Kulturleben; so gründete er etwa zusammen mit Bert Brecht die »Literarische Gesellschaft«. Klara und Martin bekamen drei Kinder: Ernst (geb. 1913), Helene (geb. 1916) und Erwin (geb. 1921).
Klaras Bruder Hugo Berberich (geb. 1887) war Arzt in Augsburg. Ab dem 30. September 1938 durfte er laut Gesetz keine »Arier« mehr behandeln. Er verkaufte seine Klinik für einen Spottpreis und emigrierte mit seiner Frau Eva Maria (»Miez«), geb. Horn, die Christin war, und mit seinem Sohn nach New York.
Zwei von Klaras Kindern konnten ebenfalls in die USA fliehen. Helene ist dort 1967 gestorben. Ernst heiratete Marianne Untermayer und zog mit ihr nach dem Krieg wieder nach Deutschland.
Anfang April 1942 wurde Klara im Alter von 55 Jahren nach Piaski in Polen deportiert, zusammen mit ihrem Ehemann und ihrem Sohn Erwin; alle drei gelten als verschollen.
Zwei Monate lang, von April bis Juni 1942, lebte auch der Ingenieur Arnold Hindls aus Brno (Brünn) in Piaski – für ihn war dies nur eine Verschleppungsstation von vielen, zwischen Theresienstadt und Ossowo. Über Piaski schreibt er in seinen Erinnerungen (Einer kehrte zurück, 1965): »Piaski, ein kleines Städtchen in der Lubliner Woiwodschaft, ringsum von Sand und Sümpfen und Wald umgeben, ist durch die Staatsstraße Lublin–Cholm (= Chelm) in zwei Teile geteilt, weshalb sich das ehemals große, von etwa dreitausend einheimischen Juden bewohnte Getto zu beiden Seiten der Staatsstraße ausbreitete. Nur waren die beiden Gettoteile jetzt, jeder für sich, mit hohen Bretterzäunen und Stacheldraht eingefriedet, mit großen, ständig bewachten Toren, die nur vormittags und nachmittags je eine Stunde am Tage geöffnet wurden und zur Staatsstraße hin abgeschlossen waren. … Die Häuser des Gettos waren zumeist aus Holz, mit nur kleinen Höfen, ineinandergeschachtelt, vorwiegend ebenerdig, manche einstöckig. … Im Städtchen gab es weder Wasserleitung noch Kanalisierung. Für die rund sechstausend Menschen zählende Belegschaft der beiden Gettoteile … gab es nur einen einzigen Brunnen mit annehmbarem Trinkwasser im südlichen Getto, von dem pro Person und pro Tag nur ein Kübel von zehn Liter Inhalt geholt werden durfte. … Am Rande des südlich gelegenen Gettos, an der Staatsstraße, war in einem geräumigen, solid gebauten Gebäude das Kommando der SS untergebracht, dem das Getto unterstellt war. Von dem Balkon des Gebäudes konnte die SS beide Gettoteile sehr gut beobachten. Bei jedem Besuch dieser ›Herrenmenschen‹ gab es reichlich Ohrfeigen, Fußtritte und Peitschenhiebe, und ›nicht erlaubte‹ Lebensmittel, die ins Getto geschmuggelt worden waren, wurden beschlagnahmt. … An Hunger starben hier täglich zwanzig bis dreißig Menschen, die zu vollkommenen Skeletten abgemagert waren. … Trotz dieser katastrophalen Verpflegungsverhältnisse wurden alle arbeitsfähigen Männer und Frauen täglich gruppenweise zu Erd-, Garten- und Straßenunterhaltungsarbeiten herangezogen … Auch im Getto selbst gab es genug Arbeit, wie die Reinigung und Vertiefung der Abflussgräben und Rigolen, die Errichtung von Latrinen und immer wieder Latrinen, die nie ausreichten.«
Im Herbst 1942 wurden einige Juden aus Piaski nach Belzec, die übrigen, etwa 4000, nach Sobibor gebracht und dort ermordet. Sofort wurde das »Ghetto« durch Deportationen erneut belegt.
Bis zum Sommer 1942 kamen ein paar Briefe der nach Piaski deportierten Juden in Augsburg an. Klaras Sohn Ernst berichtet, dass das Gerücht ging, seine Mutter und einige andere seien während des Transports »zur Warnung« erschossen worden (Brief an Rabbiner Ernst Jacob vom 11. Mai 1945).
Der Name von Klara (hier: Clara) Cramer ist auf einer Glastafel der Schoa-Gedenkstätte aufgeführt, die im Augsburger Rathaus zu besichtigen ist (Künstler: Klaus Goth).

Literatur
:
Irmgard Hirsch-Erlund, Irmgard. Eine jüdische Kindheit in Bayern und eine Vertreibung, hrsg. von Gernot Römer, Augsburg 1999, S. 32–36.
Ernst Cramer, Brief vom 11. Mai 1945, abgedruckt bei Ernst Jacob, Rundschreiben Nr. 10, August 1945, in: Gernot Römer (Hrsg.), »An meine Gemeinde in der Zerstreuung«. Die Rundbriefe des Augsburger Rabbiners Ernst Jacob 1941–1949, Augsburg 2007, S. 101–115, hier S. 105–108.
Ernst Cramer, Erfahrungen, Einsichten, Zeugnisse. Beiträge zur deutsch-jüdischen Aussöhnung, Berlin 1992 (Privatdruck Axel Springer Verlag), bes. S. 34–37.
Arnold Hindls, Einer kehrte zurück. Bericht eines Deportierten, Stuttgart 1965, S. 12–32.
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