| Ernestine Obernbreit geb. 1895 in Augsburg, Vater Kaufmann
 
 Ernestines Vater Emanuel Obernbreit (geb. 1866) war Besitzer 
					eines Schuhgeschäfts. Seine Ehefrau hieß Cäcilie (Cäzilia), 
					geb. Großmann (geb. 1862). So wie Ernestine besuchten auch ihre 
					Schwestern
					
					Adele,
					
					Elsa und
					
					Rosa die »Städtische Töchterschule«, die ab 1914 »Maria-Theresia-Schule« 
					hieß. Ernestine ging 1906–1909 in die Klassen 1–3.
 1919 heiratete Ernestine den Viehhändler Jacob Gruber (geb. 
					1881), einen Onkel von
					
					Berta Horn und Ilse Marx. Ilse hat die Feierlichkeit in 
					einem kurzen Artikel beschrieben. Das Ehepaar Gruber bekam zwei 
					Söhne, von denen einer, Paul (geb. 1920), mit 16 Jahren in die 
					USA emigrierte. Der andere, Kurt (geb. 1923), wurde mit seinen 
					Eltern Anfang April 1942 nach Piaski in Polen deportiert; alle 
					drei gelten als verschollen.
 Zwei Monate lang, von April bis Juni 1942, lebte auch der Ingenieur 
					Arnold Hindls aus Brno (Brünn) in Piaski – für ihn war dies 
					nur eine Verschleppungsstation von vielen, zwischen Theresienstadt 
					und Ossowo. Über Piaski schreibt er in seinen Erinnerungen (Einer 
					kehrte zurück, 1965): »Piaski, ein kleines Städtchen in 
					der Lubliner Woiwodschaft, ringsum von Sand und Sümpfen und 
					Wald umgeben, ist durch die Staatsstraße Lublin–Cholm (= Chelm) 
					in zwei Teile geteilt, weshalb sich das ehemals große, von etwa 
					dreitausend einheimischen Juden bewohnte Getto zu beiden Seiten 
					der Staatsstraße ausbreitete. Nur waren die beiden Gettoteile 
					jetzt, jeder für sich, mit hohen Bretterzäunen und Stacheldraht 
					eingefriedet, mit großen, ständig bewachten Toren, die nur vormittags 
					und nachmittags je eine Stunde am Tage geöffnet wurden und zur 
					Staatsstraße hin abgeschlossen waren. … Die Häuser des Gettos 
					waren zumeist aus Holz, mit nur kleinen Höfen, ineinandergeschachtelt, 
					vorwiegend ebenerdig, manche einstöckig. … Im Städtchen gab 
					es weder Wasserleitung noch Kanalisierung. Für die rund sechstausend 
					Menschen zählende Belegschaft der beiden Gettoteile … gab es 
					nur einen einzigen Brunnen mit annehmbarem Trinkwasser im südlichen 
					Getto, von dem pro Person und pro Tag nur ein Kübel von zehn 
					Liter Inhalt geholt werden durfte. … Am Rande des südlich gelegenen 
					Gettos, an der Staatsstraße, war in einem geräumigen, solid 
					gebauten Gebäude das Kommando der SS untergebracht, dem das 
					Getto unterstellt war. Von dem Balkon des Gebäudes konnte die 
					SS beide Gettoteile sehr gut beobachten. Bei jedem Besuch dieser 
					›Herrenmenschen‹ gab es reichlich Ohrfeigen, Fußtritte und Peitschenhiebe, 
					und ›nicht erlaubte‹ Lebensmittel, die ins Getto geschmuggelt 
					worden waren, wurden beschlagnahmt. … An Hunger starben hier 
					täglich zwanzig bis dreißig Menschen, die zu vollkommenen Skeletten 
					abgemagert waren. … Trotz dieser katastrophalen Verpflegungsverhältnisse 
					wurden alle arbeitsfähigen Männer und Frauen täglich gruppenweise 
					zu Erd-, Garten- und Straßenunterhaltungsarbeiten herangezogen 
					… Auch im Getto selbst gab es genug Arbeit, wie die Reinigung 
					und Vertiefung der Abflussgräben und Rigolen, die Errichtung 
					von Latrinen und immer wieder Latrinen, die nie ausreichten.«
 Im Herbst 1942 wurden einige Juden aus Piaski nach Belzec, die 
					übrigen, etwa 4000, nach Sobibor gebracht und dort ermordet. 
					Sofort wurde das »Ghetto« durch Deportationen erneut belegt.
 Ernestines Vater starb 1924 in Augsburg. Seine Witwe Cäcilie 
					zog zusammen mit Tochter Elsa nach München und wohnte dort nahe 
					bei ihrer anderen Tochter Adele, verheirateter Obarzanek. Als 
					die Obarzaneks 1939 nach Italien auswandern mussten und Elsa 
					eine Anstellung in England fand, zog Cäcilie wieder zurück nach 
					Augsburg, in die Brunhildenstraße 1. Von hier wurde sie am 31. 
					Juli 1942 über München nach Theresienstadt deportiert; im Januar 
					1943 ist sie dort an Typhus gestorben.
 Ernestines Sohn Paul Gruber diente während des Krieges in der 
					US-Army. Danach wurde er Wissenschaftler in der Kommunikationstechnologie. 
					Er starb 2003.
 Der Name von Ernestine Gruber ist auf einer Glastafel der Schoa-Gedenkstätte 
					aufgeführt, die im Augsburger Rathaus zu besichtigen ist (Künstler: 
					Klaus Goth).
 
 Siehe Andreas Heusler, Brigitte Schmidt, Eva Ohlen, 
					Tobias Weger u. Simone Dicke unter Mitarbeit von Maximilian 
					Strnad, Biographisches Gedenkbuch der Münchner Juden 1933–1945, 
					Bd. 2 (M–Z), hrsg. vom Stadtarchiv München, München 2007, S. 
					201f. u. 207f. (zur Familie Obarzanek und zu Cäcilie Obernbreit).
 
 Literatur:
 Jean Mar (Ilse Marx), »Summer Wedding«, in: Kittay 
					News von August 2001.
 Arnold Hindls, Einer kehrte zurück. Bericht eines Deportierten, 
					Stuttgart 1965, S. 12–32.
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